Kritik an Köhler: Müntefering bemüht sich um ein Machtwort

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  • Kritik an Köhler: Müntefering bemüht sich um ein Machtwort

    09. Juni 2005 Die SPD-Linke will von ihrer Kritik an Bundespräsident Horst Köhler nicht lassen. Ungeachtet der Aufforderung des Parteivorsitzenden Franz Müntefering, die Attacken auf Köhler zu beenden, warf sein Stellvertreter im Fraktionsvorsitz, Ludwig Stiegler, dem Bundespräsidenten am Donnerstag vor, er sei in der deutschen Gesellschaft noch nicht angekommen.

    Auch der frühere SPD-Spitzenpolitiker Egon Bahr vertrat die Auffassung, Köhler ergreife Partei für die CDU. Die Union reagierte empört auf die Kritik. Müntefering rügte am Mittwoch abend in Interviews in der ARD und beim ZDF, die Attacken einiger Parteimitglieder auf Köhler seien „nicht in Ordnung „ und fügte hinzu: „Ich erwarte, daß das eingestellt wird”. Die Menschen erwarteten keine Angriffe auf das Staatsoberhaupt, sondern Antworten, wie die SPD weiter regieren wolle. Die Partei müsse sich jetzt auf die Vertrauensfrage am 1. Juli und die Vorlage des Wahlmanifestes am 4. Juli konzentrieren.

    „Köhler ist einseitig”

    Mehrere SPD-Politiker, darunter Münteferings Stellvertreter in der Fraktion, Stiegler und Michael Müller, hatten Köhler Parteilichkeit zugunsten der Opposition und das Streuen von vertraulichen Informationen vorgeworfen. Müntefering gestand einen teilweisen Autoritätsverlust ein, betonte aber: „Jetzt spricht der Parteivorsitzende.”

    Ungeachtet dessen warf Stiegler Köhler vor, er habe sich parteipolitisch von der CDU vereinnahmen lassen. „Ich habe alle Bundespräsidenten seit 1966 miterlebt, und keiner von ihnen war politisch so einseitig wie Köhler”, sagte Stiegler. Er sei sehr irritiert, daß angeblich Protokolle von Gesprächen zwischen Köhler und Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) an die Öffentlichkeit gelangt seien.

    Der Bundespräsident sei von einer „harten CDU-Truppe umgeben”, die sich nicht so vornehm zurückhalte wie die Mitarbeiter seiner Amtsvorgänger. Auch Köhler selbst sei in seinen Äußerungen „sehr liberal und CDU-lastig”.

    „Entsetzlicher Hängezustand”

    Bahr sagte: „Nach meinem Eindruck weiß der Bundespräsident, wer ihn vorgeschlagen und gewählt hat. Aber das wußten seine Vorgänger auch.” Er könne sich jedoch nicht vorstellen, daß Köhler das Parlament nicht auflösen werde, wenn Schröder wie geplant die Vertrauensfrage verliere.

    Es sei ganz offensichtlich, daß alle Fraktionen im Parlament schnell Neuwahlen wollten, um den für das Land „entsetzlichen Hängezustand” zwischen Bundesrat und Bundestag zu beenden. Er sehe nicht, dass der Bundespräsident dagegen sein könne. „Er kann doch nicht sagen: Alle Räder stehen still, weil mein starker Arm das will”, sagte Bahr.

    Bosbach: „Ablenkungsmanöver”

    Der stellvertretende Unions-Fraktionsvorsitzende Wolfgang Bosbach (CDU) nannte die Attacken der SPD auf Köhler ein „klassisches Ablenkungsmanöver”. Köhler müsse bei der Bewertung der Vertrauensfrage eine schwierige Entscheidung treffen. Es sei richtig, dass er nicht ebenso unüberlegt vorgehe, wie Schröder bei seiner Entscheidung, Neuwahlen anzukündigen.

    Der Vorwurf, Köhler handle aus parteipolitischem Kalkül, treffe nicht zu. Die wirtschaftspolitische Sprecherin der Unions-Fraktion, Dagmar Wöhrl (CSU), sagte: „Die SPD versucht mit allen Mitteln, von inhaltlichen Problemen abzulenken.”

    Schröder wehrt SPD-Attacken auf Köhler

    Trotz der Mahnung von Schröder im Kabinett hatten führende SPD-Abgeordnete ihre Angriffe gegen Köhler fortgesetzt. Zuvor hatte sich Schröder von der Kritik der stellvertretenden SPD-Fraktionsvorsitzenden Michael Müller und Stiegler an Köhler distanziert.

    Ausdrücklich mit Hinweis auf Interviewäußerungen Müllers sprach Regierungssprecher Anda von „völlig unerträglichen Angriffen auf den Bundespräsidenten”. Er versicherte, Schröder habe „Respekt” vor der Arbeit und der Person Köhlers und es gebe eine „gute Zusammenarbeit”.

    Das Bundespräsidialamt als Quelle?

    Müller und Stiegler hatten in variierten Formulierungen dem Bundespräsidenten persönlich, seinem „Umfeld” oder auch dem „Bundespräsidialamt” vorgeworfen, Urheber einer angeblichen Indiskretion und Quelle für einen Bericht in der Zeitschrift „Der Spiegel” gewesen zu sein. Der SPD-Vorsitzende Müntefering sagte im ZDF, die Angriffe auf Köhler seien nicht „in Ordnung”. „Ich bitte dringend, daß das unterbleibt.”

    Darin waren angebliche Äußerungen aus dem Gespräch zitiert worden, in dem Schröder den Bundespräsidenten über das Vorhaben unterrichtete, mittels einer Vertrauensfrage im Bundestag dessen Wahlperiode zu verkürzen und die nächste Entscheidung der Wähler auf diesen September vorzuziehen. Auf die Frage, ob Schröder den Verdacht Müllers teile, sagte Anda: „Nein, den teilt er nicht.” Für sich selbst sagte Anda: „Ich habe keinerlei Erkenntnisse, woher die Informationen stammen.” Für ein Gespräch Schröders mit Müller über diese Sache gebe es auch „keinen Anlaß”.

    Kahrs: „Köhler ist Aufgabe nicht gewachsen”

    Neben Müller und Stiegler kritisierte auch der Sprecher der im Seeheimer Kreis organisierten rechten SPD-Bundestagsabgeordneten, Kahrs, den Bundespräsidenten in ungewöhnlich scharfer Form: „Köhler ist ein Präsident, der seiner Aufgabe nicht gewachsen ist und sein Amt mit Parteipolitik verwechselt.”

    Das Agieren des Bundespräsidenten im Zusammenhang mit der Vertrauensfrage bezeichnete Kahrs in der Zeitung „Handelsblatt” als „Schmierenkomödie der billigsten Art - aber der Mann ist eben so”. Kahrs verstieß mit seiner am Mittwoch abend bekanntgewordenen Attacke ausdrücklich gegen die Linie Schröders. Auch Müller und Stiegler erneuerten im Laufe des Tages ihre scharfe Kritik.

    „Erhöhtes Erpressungspotential”

    Ein anderer Sprecher des Seeheimer Kreises, der Abgeordnete Hübner, distanzierte sich von den Äußerungen Kahrs'. Er halte Köhler für einen integren Bundespräsidenten. Schröder hatte mit Köhler am 23. Mai gesprochen - einen Tag nach der Wahl in Nordrhein-Westfalen und nach der Bekanntgabe des Wahlvorhabens. In dem Zeitschriftenartikel, der am vergangenen Montag erschien, hieß es, Schröder habe gesagt, er verfüge nur über einen Vorsprung von drei Stimmen und die verlorene Landtagswahl hätte dazu geführt, daß es ihm gegenüber ein „erhöhtes Erpressungspotential in der Fraktion und in der Koalition” gebe.

    Die Kritik an seinem Kurs wachse. „Meine Mehrheit ist instabil”, wurde Schröder zitiert. Bei der Vertrauensfrage im Parlament könne es dazu kommen, daß gerade jene Abgeordneten, die ihm mißtrauten, ihr Mißtrauen im Abstimmungsverhalten nicht dokumentieren wollten. Deshalb sei geplant, daß die Regierungsmitglieder geschlossen gegen ihn stimmen.

    SPD-Linke wehrt sich

    Die „Parlamentarische Linke” in der SPD-Fraktion, zu deren Sprechern Müller gehört, wertete den Artikel im „Spiegel” und die mutmaßlichen Äußerungen Schröders abermals als Versuch, ihr die Schuld für ein Scheitern von Schröders Politik zuzuweisen. Schon nach vorherigen Artikeln im „Spiegel” hatten sie den Verdacht geäußert, das Kanzleramt oder auch der Bundeskanzler selbst wolle sie für das Ende der rot-grünen Regierung verantwortlich machen.

    Am Dienstag nun sagte Müller der Zeitung „Handelsblatt”: „Wir müssen langsam die Auseinandersetzung mit dem Bundespräsidenten suchen.” Er wurde auch mit dem Satz zitiert, Köhler „streut so gezielt Informationen, daß die vertrauensvolle Zusammenarbeit gefährdet ist”. In den ARD-Tagesthemen hatte Müller am Dienstag abend gesagt: „Also, ich meine das Präsidialamt und die ganze Umgebung.” Er wisse nicht, ob es der Bundespräsident selbst gewesen sei. Doch sei es eine „schlichte Unverschämtheit”, was er aus einem vertraulichen Gespräch über „das Konfliktpotential” in der SPD gelesen habe.

    „Stramme CDU/FDP-Truppe rund um den Bundespräsidenten”

    Sodann sagte Müller, er unterstelle Schröder nicht, das Zitierte gesagt zu haben. „Er hat das auch zurückgewiesen.” Stiegler sagte am Mittwoch zu „Reuters TV”, Köhler schüre aus parteipolitischen Gründen durch das Bundespräsidialamt Unsicherheit.

    Mit Blick auf das Gespräch Schröders mit Köhler sagte Stiegler: „Nach der Frage ,Wem dient es' ist der Verdacht groß, daß diese stramme CDU/FDP-Truppe rund um den Bundespräsidenten hier versucht, Politik zu machen, und deshalb Unsicherheit zu verbreiten versucht.” Auch der Juso-Vorsitzende Böhning griff den Bundespräsidenten an. Der Zeitung „Welt” sagte Böhning: „Horst Köhler ist kein neutraler Bundespräsident.” Der Grünen-Fraktionsgeschäftsführer Beck äußerte Verständnis für die Angriffe aus der SPD. Er habe „seit Anfang an den Eindruck, daß Köhler sein Amt nicht mit der notwendigen Überparteilichkeit führt”, sagte Beck der Zeitung „Handelsblatt”.

    Derweil sagte der ehemalige SPD-Vorsitzende Lafontaine der Wochenzeitung „Die Zeit”, es sei ein Fehler gewesen, daß er im Jahr 1998 zu Schröder gesagt habe: „Wenn du bei der Wahl in Niedersachsen einigermaßen abschneidest, wirst du Kanzlerkandidat.”

    Neue Planspiele

    In der Partei- und Fraktionsführung der SPD gibt es nach einem Zeitungsbericht bereits Planspiele für die Zeit nach einer verlorenen Neuwahl des Bundestags im Herbst. „Wir planen jetzt schon die Zeit nach Schröder”, sagte ein Mitglied der SPD-Fraktionsspitze der „Passauer Neuen Presse” (Donnerstagausgabe) laut Vorabbericht.

    Als Nachfolger Münteferings im Parteivorsitz sei der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck im Gespräch. Wenn Beck wolle, werde er nach der Wahl Parteichef. Es gebe in Partei und Bundestagsfraktion der SPD nur noch die Sehnsucht, die Regierungszeit mit Anstand zu Ende zu bringen, berichtete das Blatt. Die SPD stehe vor einer tiefen Zäsur. Müntefering werde nach einem Wahldebakel auch den Vorsitz der Bundestagsfraktion aufgeben müssen.

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    Darum gehts also^^
    Ist er eurer Meinung nach parteiisch? Und, haben solche Sachen Auswirkung auf euer Wahlverhalten?