Wir brauchen wieder Mut zur Disziplin

  • Diskussion

  • Koko
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  • Wir brauchen wieder Mut zur Disziplin

    Ich habe mir vor einigen Tagen das neu erschienene Buch „Lob der Disziplin“ von Bernhard Bueb gekauft.

    Dreißig Jahre lang, von 1974 bis 2005, hat Bernhard Bueb die Eliteschule Schloß Salem geleitet, die angesehenste Schule Deutschlands, das genaue Gegenteil von Rütli. Der renommierte Pädagoge gilt als einer der bekanntesten Kritiker des deutschen Erziehungswesens.

    Da das FSB zu einem großen Teil von Jugendlichen frequentiert wird, möchte ich einige der Thesen des Buches hier vor- und zur Diskussion stellen.

    In den letzten Jahren hat sich ein Typus von Verwahrlosung verbreitet, der sich vor allem in einer schwer erträglichen, ich-zentrierten Anspruchshaltung äußert. Diese Kinder erfahren […] zu viel Liebe und zu wenig Disziplin. Sie erwarten ständig Zuwendung, emotionale und materielle, und sie haben nicht gelernt zu verzichten. Sie leben nach der Formel „Ich. Alles. Sofort“, wie es der Pädagoge Wolfgang Harder anschaulich formuliert hat.

    Diese Kinder wachsen in ganz geordneten Verhältnissen auf, es mangelt ihnen nicht an liebenden Eltern; aber sie kennen keine Grenzen und keine Forderungen, sie erleben nicht die wohltuende Wirkung von Disziplin und klarer Führung.


    Die sehr narzißtisch gefärbte Anspruchshaltung vieler Kinder und Jugendlicher ist eines der großen pädagogischen Ärgernisse der letzten Jahrzehnte. Mangelnde Anstrengungsbereitschaft, Spaßhaltung, Selbstmitleid und eine unstillbare Konsumgier prägen das Leben eines großen Teils der heranwachsenden Jugend. Alkohol, Drogen und Rauchen gehören zum Aufwachsen selbstverständlich dazu und tragen das ihre zur weiteren Verwhrlosung bei. Der Gesetzgeber erlaubt Alkohol und Zigaretten ab sechzehn. Warum eigentlich? Ich habe noch nie eine plausible Erklärung für diese Gesetze gefunden außer unsere puddinghafte Pädagogik. Amerika, das Land der Freiheit, besitzt eine jugendgerechtere, nämlich schützende Gesetzgebung. Viele Kinder und Jugendliche würden vergnügter und zukunftsfroher aufwachsen, wenn sie in einem Ambiente aktiver Erziehung, die die Mittel der Disziplin nicht scheut, lernen und arbeiten dürften.


    Wie denkt Ihr darüber? Ich muß gestehen, daß ich mit dem Autor vollständig d’accord bin.
  • Hi!
    Ich glaube das Grundproblem liegt nicht in der Disziplin sondern eher daran das die meisten Menschen (nicht nur Jugendliche) noch nie über die Welt und sich selbst nachgedacht haben.
    Die fehlende Disziplin ist sozusagen nur ein äußeres Symptom.

    Das Leben heutzutage wird bereits vom Staat, Kultur und Gesellschaft so stark vorgegeben, das auch kein eigenständiges Denken mehr gefördert wird, wenn man nicht sogar schon behaupten kann, das es verhindert wird.
    Die Lebensplanung ist für jeden schon ziemlich genau festgelegt und es gibt zu jedem Zeitpunkt des Lebens eines "normalen" Menschen hier in Deutschland einen Plan, dem er gesellschaftlichen Erwartungen nach zu folgen hat.

    Ich will damit sagen, das wir von kleinauf eigentlich nie über irgendwas nachdenken wollen und deshalb auch so "disziplinlos" vor uns hinleben, als Baby kriegt man einen 24 Stunden Service, als Kleinkind hockt man die eine Hälfte der Zeit vorm Fernseher (der auch von alleine läuft und man muss nicht denken) und die andere Hälfte in einem riesigem Haufen Spielzeug (das auch mehr oder weniger meistens schon von selber funktioniert oder nur nach Anleitung) oder gleich vorm PC.
    Als Kleinkind kommt man dann in die Schule wo man alles automatisch eingtrichtert bekommt und nur auswendig lernen muss und hocken wir mal nicht vorm Fernseher, gehts ab in irgendeinen Verein wo auch schon alles geregelt ist.
    Und so geht es das ganze Leben weiter, dadurch, das wir nie eigene, wichtigere Entscheidungen treffen müssen (außer man möchte einen anderen Weg gehen) und uns auch die meisten kleinen Entscheidungen abgenommen werden, glaube ich entsteht erst das ganze Problem.
    Ein permamentes Leben in einer Art Paradies, da es alles Grundlegende gibt und man gar nicht mehr weiß woraufs ankommt.

    mfg
    Neo
  • Koko hat absolut recht !!!
    Ich habe selbst 2 Kinder und kann die "Verlotterung"
    unserer Kids täglich beobachten....
    Spielplatz..Kindergarten..Schule...Die dürfen alles..Hauptsache die nerven nicht !!
    Konsequent sein und Grenzen setzen ist da schwerer und immer weniger
    Eltern stellen sich der Sache...Vor den PC oder TV setzen und Ruhe haben
    ist angesagt !!
    Auf lange Sicht lohnt aber Disziplin und meine Kinder werden hoffentlich keine
    Hartz Empfänger !!!
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    [SIZE=1]Bevorzugt:[/SIZE] [SIZE=1]Sie wissen es :-)[/SIZE][/SIZE]
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  • In meinem Bekanntenkreis macht sich leider Hilflosigkeit in der Erziehung breit, als Problem der großen Inkonsequenz. Das beobachte ich sehr oft. Da wird die Mutter vom Sohn als doof betitelt (vor allen Leuten) und er kommt damit durch. Das ist nur ein kleines Beispiel.
    Oft schüttel ich nur den Kopf, wenn ich sehe das sich die Eltern nicht durchsetzen können. Die Kinder bekommen etwas gesagt, machen es aber nicht. Es wird noch ein Mal gesagt... es passiert wieder nichts. Das Kind ignoriert die Eltern. Und die geben dann auf. Aus bequemlichkeit, oder warum auch immer.

    Jedenfalls lege ich doch Wert, auf eine "strengere" Erziehung. Regeln müßen auch von Kindern gelernt und eingehalten werden. Es kommt ihnen im späteren Leben nur zu Gute. Ausserdem lasse ich mir von meinen beiden Plagen nicht auf der Nase rumtanzen ;)
  • hmm zu diesem thema fällt mir ein zitat von meinem ethik-lehrer ein, da wir auch so ein änliches thema gerade behandeln:
    "da waren wir im bus und die kinder waren ein wenig lauter als normal, also eigentlich nichts schlimmes, so wie 5. klässler nun mal sind. da war so ein älterer herr und sagt: 'zu meiner zeit hat es sowas noch nicht gegeben, da gab es noch ZUCHT und ORDNUNG.'
    darauf hab ich ihm geantwortet: 'ja damals haben sie der HJ gedient, wenn sie meinen das sei besser, als das hier, dann tut es mir leid'! und darauf war der ältere herr still und sagte nichts mehr"

    eigentlich sagen ja die politiker und so, dass wir heutzutage werteverfall haben, und man kann den weg gehen den man will nicht so wie damals, wo eine klare linie vorgegeben wurde, wenn man dann aber andi's post liest, merkt man, dass es heute eig. noch so ähnlich ist, nur eben geschikter "versteckt"!

    das war jetzt ein wenig am thema vorbei, aber was ich sagen möchte ist: zu viel disziplin ist auch nicht gut, aber zu wenig ebenso schlecht, man sollte ein gutes mittelmaß finden, so dass (am bsp. der kinder) sie nicht alles bekommen, aber auch nicht total zur "zucht und ordnung" bzw. "totalen disziplin" kommen...

    sehr wichtig ist das über sich nachdenken, weil dazu findet man kaum noch zeit, vllt. sollten die eltern lieber ein wenig darauf wert legen, dass sie mit ihren kindern über solche themen vllt. sprechen, oder diese ihnen interessant zu machen(durch bücher --> alice im wunderland/spiegelland oder sophies welt, dann denkt man auch wieder über sich nach ;) )

    so long
  • Ja, ich denke auch auf jeden Fall, dass mehr Disziplin gefordet merden muss.
    Ich habe keiner Kinder, aber ich betreue eine Jugendmannschaft beim Fussball,dort fällt es echt manschmal sehr Extrem auf. Die Kinder tanzen ihren Eltern wirklich auf der Nase herum und die lassen das auch noch mit sich machen. Die kleinen sind meist sehr verwöhnt und kommen auch noch sehr oft mit ihrem Kopf dann durch.

    Ich denke da müssten die Eltern mehr eingreifen, auch wenn es vielleicht in dem Alter schon ein wenig spät ist(10 Jahre alt). Die Kinder sind auch einfach nicht selbständig genug, wie sollen sie so später "überleben"?! Naja, wie mans richtig machts, sieht man ja in Sendungen wie der "Super Nanny";)

    MFG
    Afrei
  • im prinzp mag es ja stimmen, dass viele kinder ihre zeit vrom computer bzw. vorm TV verbringen, aber es passiert sehr schnell, dass man sowas zu sehr verallgemeinert.

    und ohne den autor des buches zu sehr kritisieren zu wollen, ist schloß salem vielleicht auch nicht gerade der richtige ort um allgemeine thesen über die jugend aufzustellen. auch wenn er dort nur gearbeitet hat denk ich, dass teile der zitate ("Sie erwarten ständig Zuwendung, emotionale und materielle, und sie haben nicht gelernt zu verzichten.") doch wohl nur auf besser gestellte kinder zutreffen, wie zb. die auf salem...

    mfg kasperlz
  • Ein hochinteressantes, und immer wieder (seit der Antike^^ ) ein zeitaktuelles Thema,
    welches Du hier ansprichst,
    lieber Koko :)....ganz toll...
    und zudem über/von einem Pädagogen, der diesen TITEL wirklich verdient (hat) und meinen höchsten Respekt hat.
    Dies hat nichts damit zu tun - @kasperlz - das er die letzte Zeit seines aktiven Berufslebens in Salem gelehrt hat bzw. dieser Schule vorstand.
    Auch dort - für die sogenanten priviligierten Kinder -
    sind das Lehren bzw. Erlernen von
    gegenseitigem Respekt
    das Akzeptieren von 'erarbeiteter' Autorität,
    und die Einsicht von diszipliniertem Verhalten in sozialen Gruppen
    sowie
    die Vermittlung der Erkenntnis, das nur 'real' Erarbeitetes letztendlich Befriedigung verschafft,
    mindestens genauso wichtig,
    wie in unterpriviligierten Bereichen unser Weltbevölkerung.

    Die damit jeweils 'unbequeme' Konsequenz sich als gesellschaftlich Verantwortlicher (ob als Elternteil oder einfach nur als Mensch)
    in der Unterstützung von reinem 'Konsum' zu verweigern,
    also klar NEIN sagen zu lernen,
    andererseits hierdurch aber dann auch zu konkreten Hilfestellungen im täglichen Leben 'gezwungen' zu sein und diese auch bewußt und mit persönlichem Zeitaufwand zu gewähren,
    ist leider viel zu Wenigen bewußt und leider auch - selbst schon zu sehr korrumpiert - zu anstrengend !

    Anstatt durch die Vermitlung von 'eigenem' Wissen, Erfahrungen und 'selbstbestimmtem' Handeln den Lernenden
    Grenzen zu setzen UND Alternativen aufzuzeigen
    wird allzu schnell - bequem oder resignativ - die Rolle des verantwortlichen Lebensbegleiters an Andere deligiert.

    Das Liebe - zu Kindern wie auch Erwachsenen - auch immer ein bewußtes NEIN und daraus resultierende Regeln beinhaltet,
    wird aus den damit immer auch entstehenden, langwierigen und anstrengenden Konsequenzen
    gerne an Maschinen & Institutionen weitergegeben.

    Diese 'Selbstdiziplinlosigkeit' ist dann das ach so oft zitierte 'Beispiel und Vorbild',
    an dem sich Heranwachsende, Lernende und sogar auch noch Erwachsene später orientieren.

    Wer hier nicht soziale Gemeinschaftsarbeit jeglicher Art verantwortungsvoll auf sich nimmt,
    dabei auch eigene Bedürfnisse zu Gunsten Anderer zurückstellen lernt,
    sprich sich selbst zum Wohle Anderer dizipliniert
    hat kaum eine Chance auf spätere Glaubwürdigkeit und Autorität.

    Die fehlende Erkenntnis, dass
    ein JA oder NEIN
    IMMER - früher oder später - mit zusätzlicher Arbeit verbunden ist,
    wird leider in einer zunehmend automatisierten, scheinbar auch so komfortablen Welt ....vergessen....
  • Naja die Gesellschaft scheint Disziplinlosigkeit ja zu tolerieren. Sie regt übers Nichtvorhandensein auf aber tut nichts dagegen. Is fast wie mit der NPD. Werden gewählt und die Politik schreit: Oh Nein!
    Aber machen tut sie trotzdem nichts.

    Mfg
    Horizon
    "Wer Freiheit aufgibt um Sicherheit zu gewinnen, wird am Ende beides verlieren." Benjamin Franklin
  • Meiner Meinung nach liegt das an der von außen kommenden Beeinflussung, die durch Medien usw verursacht wird.

    Anstatt mehr Disziplin zu vordern sollte man sich vielleicht lieber mehr auf die eigenen Wurzeln beziehen, als Amerika alles nachzumachen ( das ist keine NS Anspielung !!! )
  • Ich finde es gut so wie es ist. Von einer Verwahrlosung kann eigentlich nicht die Rede sein. Das Leben der Kinder und Jugendlichen hat sich nun mal über die Jahrzehnte veändert, hat sich angepasst.
    Sicherlich ist es verwerflich, dass Eltern ihre Erziehungsverantwortung immer weniger nachkommen und die Erziehung den Medien überlassen, aber es geht auch so.
    Ich bin selbst eher in der Art laisser-faire aufgezogen worden und habe dadurch gelernt mein Leben selbst zu organisieren und meinen eigenen Kopf zu haben.
  • die eltern überlassen nicht den medien die erziehung aber die kinder entziehen sich durch die medien immer früher dem erziehungseinfluss der eltern und werden dadurch auch nicht mündiger...
    im einzelfall kann das durchaus die positiven auswirkungen eines starken selbstbewussten menschen zur folge haben in den meißten allerdings werden unselbstständige und größtenteils weltfremde menschen erzogen
  • Ist ja schon ein alter thread - hab ihn leider erst jetzt entdeckt, aber er hat ja an Aktualität nix eingebüßt. :(

    Die von Koko zitierte Bueb'sche Zustandsbeschreibung der heutigen Jugend trifft den Nagel so ziemlich auf den Kopf. Die beschriebenen Tendenzen nehme ich sowohl bei meinen eigenen Kindern wie auch bei vielen Kindern und Jugendlichen wahr, mit denen ich täglich zu tun hab.

    Ich pflichte auch der Ansicht bei, dass hier
    die wohltuende Wirkung von Disziplin und klarer Führung
    einiges positiv verändern könnte.
    Eltern und Erziehern mangelt es häufig an der notwendigen Beharrlichkeit und Konsequenz, die zur Durchstzung und Aufrechthaltung verlässlicher Grenzen unabdingbar sind.
    Oft ist ein laisser-faire Erziehungsstil nach dem Motto "Sie werden schon sehen, was sie davon haben ..." bequem und vordergründig auch erfolgversprechend.

    Ist daraus zu schließen, das Eltern und Lehrer nur strenger sein müssen, konsequenter die Einhaltung von Regeln einfordern bzw. deren Übertretung sanktionieren müssten?

    Disziplin ist sicher der Schlüssel für Fleiß, Anstrengungsbereitschaft, Verantwortungsgefühl und andere hehre Attribute, mit denen wir gerne eine Jugend schmücken möchten. Allerdings ist für die Erreichung dieser Erziehungsziele nicht allein die Arbeit von Eltern und Erziehern verantwortlich.
    Sie kann einen wichtigen Beitrag leisten, aber mindestens ebenso wichtig ist das von muesli zitierte "Lernen am Vorbild".

    Wie gut ist das Vorbild einer Gesellschaft, die (zumindest tendenziell) Spaßhaltung, Zügellosigkeit und das Austarieren von Freiräumen unablässig praktiziert?
    Vor einigen Jahren gab's von irgend ner Kaffee-Firma Aufkleber, auf denen standen die Worte "Genuss sofort!", viele Deppen klebten sich die Dinger an's Auto.
    Dieser Sticker liefert eine ziemlich exakte Zustandsbeschreibung unserer Gesellschaft. Wir können uns (fast) alles leisten, leben im Überfluss und brauchen uns nix zu versagen. Da ist Disziplin wohl kaum eine überlebensnotwendige Eigenschaft, wenigstens vordergründig nicht.

    Entsprechend trifft der Vorwurf der Disziplin- und Zügellosigkeit nicht nur die Jugend sondern die Gesellschaft im Ganzen; solange nicht jeder Einzelne Selbstdisziplin praktiziert und vorlebt können wir von der Jugend keine Klimmzüge diesbezüglich erwarten.

    edit 6.3.:
    In der "Zeit" vom 1. März ist ein Gespräch zwischen Cohn-Bendit und Bueb abgedruckt "Von der Kunst des Erziehens"
    Die beiden sind ~ 7 Jahre auseinander, doch die Ansichten über erziehung könnten gegensätzlicher nicht sein.

    Eine der wenigen gemeinsamen Einsichten: Höflichkeit ist eine erstrebenswerte Eigenschaft und erleichtert das Zusammenleben.

    Auch der Meinung Buebs, die antiautoritäre Bewegung der 60er Jahre habe zu viele pädagogische Prinzipien über Bord geworfen kann man durchaus noch folgen.
    Wenn er aber der täglichen Morgenandacht, dem Tischgebet oder der Schweigezeit während des Essens nachtrauert und Unterrichtsstörungen als (zumeist) Ausdrucksformen von Unlust und Frechheit klassifiziert, dann offenbart er für mich leider auch ein recht eindimensionales Bild von der Beziehung Erzieher - Zögling.

    Sein Bild vom Erwachsenen, der seine Kinder führt und immer weiß, wo's lang geht ist heute nicht mehr realistisch!
    Es ist nie zu spät für eine glückliche Kindheit! (Erich Kästner)
  • Den Artikel habe ich mir gerade eben auch durchgelesen (Danke muesli für das Heft ;)) und ich muss sagen, das mich die Meinung Buebs fast schon erschreckt.

    Nicht nur die christlichen Werte, die er allen aufdrängen will, auch die sinnlose Höflichkeit, wie das Damen zuerst den Raum verlassen.
    Am aller schlimmsten ist auf jeden Fall, das er sich als eine Art Führer der Kinder sieht und ihnen zeigen will wo es langgeht und somit ein Abbild seiner selbst schafft, wie es so schön im Text heißt.

    Allerdings kann ich mich auch nicht wirklich Cohn-Bendits Meinung anschließen.


    Mit meinen 18 Jahren ist meine Kindheit erst seit kurzem vorbei, teilweise auch noch gar nicht abgeschlossen.
    Das einzige was ich dabei bezüglich Autorität und Höflichkeit entwickelt habe, war pure Abneigung, was man mir glaube ich auch in den anderen Posts anmerkt. :D

    Keiner konnte mir sagen, warum ich eine Autorität akzeptieren soll, warum ich höflich sein sollte, wenn dies jeglicher Vernunft widersprach.

    Die einzigen Antworten die ich erhielt, waren, es seien eben meine Eltern, meine Lehrer oder alle anderen machen dies auch so.

    Als Kind ist dies aber selbstverständlicherweiße unbefriedigend und führt nur dazu, das man es noch mehr ablehnt.

    Gleiches wiederfährt einem auch in dem Glauben, auch dieser ist stark nach Autorität und festen, sinnlosen Regeln aufgebaut, aber dies nur am Rande.


    Wenn man als Kind aufwächst, ist meiner Meinung nach wichtig, das man folgende Dinge erhält:
    - Liebe
    - Achtung, Respekt & Verständnis
    - Ehrlichkeit
    - Zugang zu allem was einem interessiert

    Gerade die Achtung und der Respekt fehlen aber den meisten Eltern vor ihren Kindern, da sie diese nicht verstehen.
    Ein Beispiel, ein Kind malt ein Bild, die Eltern loben es, unabhängig welche Qualität das Bild besitzt und damit ist für sie die Sache erledigt.
    Als Kind hingegen will man natürlich unbedingt ein Lob, aber andererseits will man den Eltern auch erklären, was auf dem Bild ist, warum man es so gemalt hat und so weiter.
    Wenn die Eltern dies verstehen würden, würden sie über das Verständnis auch Respekt gegenüber dem Kind entwickeln und ihm damit Achtung zeigen.

    Diese Achtung zeigt dem Kind wiederum, das es ernstgenommen wird, was auch sehr wichtig ist.


    Das Ziel muss es sein, das Kind als eigenen Menschen anzusehen und nicht als Ding, das man steuern und befehlen muss, als was es die meisten Menschen meiner Meinung nach ansehen.

    Wichtig ist auch, das ihm diese Achtung in allen Bereichen entgegengebracht wird, zum Beispiel wenn dem Kind Aufgaben erteilt werden.
    Wenn das Kind wissen will, warum es dieses und jenes machen soll, braucht es einen Grund dazu, keine Autortät, die ihm dies befiehlt.
    Für Eltern mag die kindliche Logik mehr als unlogisch erscheinen, dennoch sollte man es ihm erklären.

    Es ist auf jeden Fall sehr wichtig, das ein Kind frühzeitig Aufgaben und Verantwortung übernimmt, da es sich sonst in seinem späterem Leben sehr viel schwerer tut, das ist mir bei vielen Personen aufgefallen.


    Durch die Achtung merkt das Kind, das es von den Eltern respektiert wird und durch das Wissen, das ihm von ihnen beigebracht wird, bringt es den Eltern im Gegenzug wieder Respekt bei. Es entsteht also keine Beziehung, bei der das Kind unterdrückt wird, sondern man sich gegenseitig respektiert.

    Geht es nun zum Beispiel darum, dass das Kind ein Musikinstrument erlernen soll, so wächst die Bereitschaft dazu aus dem Respekt und der Argumentation der Eltern, das Kind versteht warum es spielen soll und weiß das es für sich gut ist.

    Dadurch wiederum lernt es auch mit Spaß das Instrument, was ein sehr wichtiger Faktor ist.


    Mir ist klar, das ein Kind, insbesondere am Anfang des Lebens, nicht immer soweit ist, und das man gelegentlich die Macht ausnutzen muss. Sollte dies allerdings der Fall sein, so muss man dem Kind immer erklären warum, auch wenn es dies nicht versteht.
    Und das zweite wichtige ist, das man nicht nachgibt.
    Wenn man dem Kind eine Grenze zeigt, muss dies verständlich und klar sein.


    Das ein Kind ohne Liebe der Eltern es sehr schwer hat, sollte auch klar sein. Die Eltern müssen diese allerdings nicht nur besitzen, sondern auch zeigen können.
    Passend dazu auch der obere Teil mit der Achtung und den Respekt, wenn man ein Kind autoritär behandelt, denkt es oft, das es nicht geliebt wird.


    Die Ehrlichkeit ist auch ein wichtiger Faktor. Das Kind will und muss ernst genommen werden. Gerade als Kind ist man von den Lob der Eltern sehr abhängig und richtet sich dementsprechend auch danach, allerdings darf man als Eltern nur loben wenn es wirklich lobenswert ist, sprich, wenn das Kind eine Aufgabe für seine Verhältnisse gut gelöst hat.

    Es ist wichtig, den Mittelweg an Lob zu finden, lobt man zu wenig, denkt das Kind es ist schlecht, lobt man es zu viel, wird es narzistisch, analog zu den Artikel der Zeit noch einen anderen Artikel, den ich hier bereits in einem anderem Thread gepostet habe: TP: Web 2.0 fördert den Narzissmus

    Belügt man ein Kind, so merkt es ziemlich schnell, das einem die anderen Sachen nicht wirklich entgegengebracht werden.


    Der vierte Faktor ist der Zugang zu allem was einem als Kind interessiert. Wenn man eine Frage hat, so sollte die von den Eltern ernsthaft zur Zufriedenheit des Kindes beantwortet werden, auch wenn es mehr als nervig ist.

    Dennoch ist dies sehr wichtig für das Kind, den als Kind denkt man noch philosophisch, man macht sich über die Welt Gedanken.
    Und erst durch die ständigen Antworten, wie "Das ist halt so" oder "Das verstehst du eh noch nicht", werden wir zu den stumpfen Menschen von heute.


    Genauso natürlich, wenn man das Kind vor den Fernseher verblöden lässt.

    Es ist mehr als wichtig, das man dem Kind möglichst viel zeigt, zum Beispiel Sportarten, Musikinstrumente, Hobbys, eben alle Bereiche, aber auch wirklich alle, und wenn sich das Kind für einen interessiert, sollte dieser gefördert werden, solange es Interesse daran hat.

    Dadurch werden auch gleichzeitig die Fähigkeiten und Lernlust des Kindes gesteigert.

    Natürlich darf man nicht, wenn das Kind zum Beispiel gerne schwimmt, ihm einfach einen Schwimmenpool in den Garten klatschen. Vielmehr sollte man ihm zum Beispiel neue Techniken zeigen und ihm nach und nach als Gegenleistung für seine Interesse neue Dinge besorgen.
    Das ist ebenfalls sehr wichtig.


    Zuletzt ist es noch sehr wichtig, das man das Kind weder mit Vorurteilen, noch mit Geheimnissen belastet. So sollte man zum Beispiel nicht dem Kind von Anfang an beibringen, das Gott einem zum Beispiel bestraft, wenn es nicht artig ist.
    Dies führt nur dazu, dass das Kind sein Leben lang Angst hat.

    Ein Kind sollte eh nicht nach einer Religion sondern nach alle Richtungen erzogen werden, damit es sich später seinen Glauben selbst aussuchen kann, den Glauben an die Hoffnung oder den Glauben an den Verstand.

    Geheimnisse sind ebenfalls sehr schädlich für Kinder, da sie diese erst neugierig machen und Verständnislosigkeit ausrufen. Eine Art ist zum Beispiel, wenn man einem Kind nicht Süchte erklärt.

    Als Beispiel auch noch die Verdrängung von Sex. Natürlich muss man einem Kind das nicht alles von sich aus erklären, aber wenn es fragt, sollte man ihm ehrlich und ungeniert antworten können.
    Denn dadurch das wir alle in unserer Kindheit (auch durch den Glauben) dazu erzogen wurden, das Sex etwas unanständiges, fast schon beschämendes ist, steckt das auch heute noch in unserem Unterbewusstsein.
    Bei den einen mehr, bei den anderen weniger.


    Wenn man all dies beachtet und das Kind sozusagen von Anfang an als Erwachsener behandelt, sprich wie einen Menschen, dann entsteht daraus auch glaube ich eine ganz andere Mentalität.

    Eine Mentalität die nicht wie heute auf Narzismus, sowie Egoismus, Gleichgültigkeit, Unwissen und der Unfähigkeit seinen Verstand zu benutzen beruht, sondern vielmehr auf dem Wissen, das man ein Mensch von vielen ist und man alle Menschen respektvoll behandeln sollte.

    Zudem wurde man in der Kindheit mit unerlässlichen Fähigkeiten und Wissen ausgestattet, die wir niemals als Erwachsene nachholen könnten, selbst wenn wir wöllten.


    Wenn wir es schaffen, das immer mehr Kinder frei und ihrer selbst, sowie der Gemeinschaft bewusst, erzogen werden, dann könnte es auch klappen eine Gesellschaft aufzubauen, die nicht mehr auf Egoismus und Konkurrenz, sondern aus Achtung und Respekt gegenüber den anderen besteht.

    In dieser Gesellschaft benötigen wir dann auch keine Höflichkeit oder Rituale mehr, um uns gegenseitig Liebe und Anstand vorzuspielen, die wir in Wahrheit gar nicht achten.


    Der Nachteil an meiner Meinung ist natürlich nicht nur der, das ich kein eigenes Kind erzogen habe (auch wenn ich die Erziehung meines 8 Jahre jüngeren Adoptivbruders beobachten konnte und ihm gegenüber auch eine Vorbildfunktion hatte), sondern auch der, das ich all das aus einer einzigen Kindheit, die nicht wirklich angenehm war, geschlossen habe, und das obwohl ich über sie nur in einer extremst subjektiven Weiße denken kann.

    Fasst das ganze deshalb eher als eine Art Ratschlag auf, ob es so sinnvoll und überhaupt möglich sein kann, kann ich nicht entscheiden. ;)


    Dennoch bin ich froh, das ich diese Kindheit hatte, den durch sie wurde ich erst zu dem der ich bin, ein Mensch der alleine zurechtkommt und sich nicht unterordnet.

    Wäre ich nicht mit Eltern aufgewachsen, mit denen ich so viele Konflikte hätte, wäre ich vermutlich einer der Millionen, die das machen, was man von ihnen erwartet. :D

    mfg
    neo
  • @ Neo

    Wäre ich nicht mit Eltern aufgewachsen, mit denen ich so viele Konflikte hätte, wäre ich vermutlich einer der Millionen, die das machen, was man von ihnen erwartet.

    Dir ist ja wohl auch klar, dass du mit deinem letzten Satz einiges vom vorher gesagten über'n Haufen schmeißt ;)
    Also nicht nur Liebe, Zuwendung und Respekt fördern ein Kind - auch häufige Auseinandersetzungen und Konflikte geben ihm wichtige Überlebensstrategien für's Leben mit.

    Erziehung ist ein schwieriges Geschäft, die Erfahrung macht man in der eigenen Familie wie auch in Schulen oder Jugendgruppen.

    - Liebe
    - Achtung, Respekt & Verständnis
    - Ehrlichkeit

    Das sind dabei sehr wichtige Ingredienzien, ich würde noch "Vorbild" dazu nehmen (versteht sich bei "Ehrlichkeit" vielleicht von selbst ;) )
    Ich glaube schon, dass ich diese Aspekte bei der Erziehung meiner beiden Töchter immer im Hinterkopf hatte; vor allem hab ich viel diskutiert, weil ich selbst in einem Elternhaus aufgewachsen war, in dem fast ausschließlich befohlen wurde.
    Trotzdem gab es immer auch Situationen, wo ich/wir stärker geführt und Richtung gewiesen haben, z.T. unbewusst, zum Teil aber auch wissentlich.

    Ein einfaches Beispiel ist die Musik. Es hat keinen Zweck, Kindern Instrumente zu kaufen, wenn es ihnen total an musikalischem Talent fehlt, auch wenn sie noch so viel Spaß am Trommeln oder Tröten hätten.
    Wenn sie denn doch musikalisch sind, welches Instrument aus der Riesenauswahl soll's denn sein? Um ne treffliche Wahl zu ermöglichen muss man schon ne Weile mit nem Instrument sich versuchen dürfen - also findet hier dann doch ne Vorauswahl statt.

    Schwierig ist auch die Wahl der Sekundarschule; nach dem 4. Schuljahr sind Kinder nur sehr schwer davon zu überzeugen, dass eine andere Schule für sie die Bessere ist als die, die die beste Freundin besuchen wird.

    Umgang ist auch so'n Thema; als Erzieher hab ich ja immer auch ne Verantwortung. Wenn meine Kinder sich an Kumpels anhängen, die nix als Dummheiten im Kopf haben, vielleicht mit 10 Jahren schon Papas Zigaretten rauchen, im Konsum ne Tüte Gummibärchen klauen oder was weiß ich.

    Also so'n Stück Führung muss m.E. hier und da schon sein; nicht alles, was gut und richtig ist lässt sich auch argumentativ gegenüber Kindern so rüber bringen, dass Einsicht erreicht wird.
    Wichtig wäre allerdings, dass die kids im Nachherein das Gefühl haben, an diesen Stellen hatten wir zwar nicht unseren freien Willen, aber es war gut so.
    Es ist nie zu spät für eine glückliche Kindheit! (Erich Kästner)
  • Also nicht nur Liebe, Zuwendung und Respekt fördern ein Kind - auch häufige Auseinandersetzungen und Konflikte geben ihm wichtige Überlebensstrategien für's Leben mit.

    Das stimmt leider.
    Die Frage ist eben, wie kann man ihnen diese Konflikte möglichst schonend beibringen, wenngleich die Wirkung dahinter das nicht sein soll.
    Da weiß ich leider auch keinen Rat. :D

    Dir ist ja wohl auch klar, dass du mit deinem letzten Satz einiges vom vorher gesagten über'n Haufen schmeißt

    Ich hoffe, das sich die Konflikte, die dazu geführt haben, sich zumindest größtenteils auch anderst beibringen lassen, eben durch Respekt,....

    Um ne treffliche Wahl zu ermöglichen muss man schon ne Weile mit nem Instrument sich versuchen dürfen - also findet hier dann doch ne Vorauswahl statt.

    Das stimmt natürlich. Nur sollte man eben diese Vorauswahl auf Anfrage auch den Kindern erklären können (sowohl denn als auch in der Zukunft), damit, wie du auch schön sagtest, das dabei rauskommt :)
    Wichtig wäre allerdings, dass die kids im Nachherein das Gefühl haben, an diesen Stellen hatten wir zwar nicht unseren freien Willen, aber es war gut so.


    mfg
    neo
  • Von mir aus geht das klar: Allerdings setzt den Hobel auch richtig an:
    Ich habe kein Problem damit wenn ein 14jähriger sich ein Bier kippt. Soll er doch. Wenn er am nächsten Tag wieder lernt.
    Ich habe kein Problem wenn ein 14jähriger raucht. Soll er doch. Sein Geldbeutel wirds merken.
    Jedoch habe ich ein Problem damit wenn ich sehe wie viele kinder/jugendliche gerade auf den Haupt und Sonderschulen ihr Leben wegwerfen, indem sie sich Prügeln (und damit meine ich keine Rauferei), harte Drogen nehmen und zum wiederholten Male sitzen bleiben.
    Dort wäre die Disziplin wohl angebracht!
  • Ich finde, die "Verlotterung" der jungen Generation hat aber auch andere Gründe.
    Das fängt schon da an, dass sich die Kinder früher mal austoben konnten im Wald oder so.
    Geutzutage sitzen sie den ganzen Tag vorm Fernseher oder vorm PC...es gibt ja kaum noch richtige Wälder, und auch die Spielplätze vermodern irgendwie.
    Ist jedenfalls bei uns hier so.

    Aber ich denke nicht, dass man als Elternteil zu viel Liebe geben kann.
    Man muss nur gleichzeitig auch Regeln aufstellen, die dann auch befolgt werden. Aber auch DAS ist ja genau genommen Liebe von Seiten der Eltern.

    Gruss,
    blow666