KLEINER FSB-FOTOKURS IN EINZELNEN KAPITELN
02 - WAS IST FOTOGRAFIE UND WARUM FOTOGRAFIEREN WIR ÜBERHAUPT?
02 - WAS IST FOTOGRAFIE UND WARUM FOTOGRAFIEREN WIR ÜBERHAUPT?
Wenn man sich mit Fotografie auseinandersetzt, dann merkt man ziemlich schnell, daß es offenbar recht unterschiedliche Auffassungen über Fotografie gibt, von denen einige aber auch recht unsinnig sind.
Eine weitere Frage ist, wozu dient Fotografie überhaupt und eine der ganz schwierigen Fragen ist, was ist ein gutes Bild und was ein schlechtes.
Ich möchte ein wenig Licht in das Dunkel dieser Fragen bringen, auch wenn es manchmal fast schon einer Gratwanderung gleichkommt. Denn für einiges gibt es auch objektive Kriterien und subjektive ohnehin.
Was ist Fotografie?
Fotografie ist das Herausnehmen eines willkürlichen Augenblicks aus dem zeitlichen Kontext in optischer Form, um ihn zu einem anderen Zeitpunkt wiederbeleben zu können. Dieses Wiederbeleben erzeugt ein Bild und letztendlich ist es egal, in welcher Form es vorhanden ist.
Ich kann mit dem 'geistigen Auge' fotografieren, dann entsteht das Bild später ausschliesslich in meiner Erinnerung (aus diesem geistigen Bild liesse sich ein kompletter Roman ableiten, so man will). Dann kann ich auch analog fotografieren, also Fotoplatten, Negativ- oder Diafilme oder im Extremfall sogar Fotopapier belichten. Das Ergebnis sind (nach einer gewissen Bearbeitung) entweder direkt vorzeigbare Ergebnisse wie Dias oder Zwischenergebnisse wie Negative, welche für das fertige Bild noch einige weitere Arbeitsschritte benötigen.
Zu guter letzt kann ich auch digital einen Sensor belichten, was in etwa dem Belichten eines Filmes entspricht, aber einige Zwischenschritte überflüssig macht. Auch hier ist das Ergebnis ein sichtbares Bild, entweder in gedruckter (oder belichteter) Form meist auf Papier oder auf dem Bildschirm.
Alle dieser Verfahren haben Vor- und Nachteile, auf welche ich an dieser Stelle im Einzelnen nicht eingehen möchte.
Was ist Fotografie nicht?
Ein unmittelbares Abbild der Realität.
Warum fotografieren wir?
Einerseits fotografieren wir, um Augenblicke in der Hoffnung einzufangen, sie später wieder zeigen zu können. Leider erfordert dies ein gewisses Abstaktionsvermögen und eine gewisse Disziplin. Denn wenn ich auf einer Urlaubsreise irgendetwas fotografiere, um meiner Urlaubsstimmung Ausdruck zu verleihen, dann wird diese Stimmung auf dem Bild nicht mit eingefangen und es entsteht oft ein recht langweiliges Bild, wie man es zu Dutzenden sehen kann.
Bin ich gerade in Paris und möchte ich ein 'typisches' Bild vom Eiffelturm haben, dann kaufe ich besser eine Postkarte. Denn als Amateur habe ich nicht unbedingt die passende Ausrüstung vor Ort, kann nicht auf die besten Wetter- und Lichtverhältnisse warten und habe mitunter auch keinen Zugang zum geeigneten Aufnahmestandort.
Möchte ich ein 'gutes' Bild von mir vor dem Eiffelturm, dann fahre ich nicht nach Paris, sondern stelle mich vor ein projiziertes Bild oder ich positioniere mich per Bildbearbeitung vor den Eiffelturm. Wenn dies halbwegs professionell gemacht wird, dann wirkt es genauso authentisch (und oft besser) als ein Gelegenheitsschnappschuß in Paris.
Anders ist es, wenn ich eine ungewöhnliche Perspektive haben möchte oder ein Ergebnis haben möchte, welches sich von dem 'typischen' Eiffelturm unterscheidet. Das muss ich dann schon selber machen.
Aber man kann mit Bildern tatsächlich etwas dokumentieren. Die Beschreibung einen Unfallherganges kann ich durch Beweisfotos untermauern oder ich kann den Familienschmuck fotografieren, um ein Wiederauffinden nach einem Diebstahl zu erleichtern. In der Kriminalistik wird vieles dokumentiert, weil es sonst als Beweismittel nach kürzester Zeit verschwunden wäre. Und dann das Passbild. Es dokumentiert, wie ich zu einem bestimmten Zeitpunkt ausgesehen habe, was übrigens auch keineswegs dem aktuellen Zustand entsrechen muss.
Dokumentieren kann ich aber auch den Wechsel der Jahreszeiten oder das Wetter, indem ich z.B. immer den selben Baum fotografiere und die Bilder anschliessend gegenüberstelle.
Ich kann mit Bildern lügen, indem ich einen bestimmten Bildausschnitt wähle und etwas bewusst weglasse, durch die Wahl der Brennweite und der Perspektive, ja sogar durch die Wahl der Farben. Mache 10 Bilder von einem Sonnenuntergang und du wirst sehen, daß du 10 verschiedene Sonnenuntergänge hast. Und keiner davon ist der subjektiv Gesehene.
Ok, nun haben wir über den dokumentarischen Aspekt des Fotografierens bzw. der Erinnerung geredet, aber es gibt auch andere. Man kann fotografieren, um einer Aussage Ausdruck zu verleihen ('ein Bild sagt mehr als 1000 Worte'). Wir zeigen ein bestimmtest Gefühl und transportieren es über ein Bild (wobei das Motiv zweitrangig ist).
Ein Gesicht kann ich auf viele unterschiedliche Arten fotografieren und mit jedem Bild lässt sich ein anderer Eindruck gewinnen. Von verspielt-ästhtisch bis horrorhaft ist alles möglich. Es liegt im Auge des Fotografen, was er aus einem Gesicht macht.
Besonders deutlich wirkt sich die Motivation des Fotografen (aber auch des Betrachters) bei Aktbildern aus. Den je nach Standpunkt ist ein und dasselbe Bild für den Einen hocherotisch, für den Anderen aber bereits pornografisch. Wie gesagt, oft liegt es im Auge des Betrachters (und an dessen Scheuklappen und Tabus).
Weitere Gründe zum Fotografieren könnten sein, einem künstlerischen Impuls zu folgen und etwas aus dem alltäglichen oder auch inszenierten Kontext herauszureissen um es in einer Galerie optisch präsentieren zu können. Und es gibt sicher noch einige weitere Gründe.
Den Bereich der Manipulation durch Bildbearbeitung habe ich an dieser Stelle erst einmal vereinfachend weggelassen. Der kommt dann noch hinzu.
Bleibt noch die Frage der Qualität.
Es gibt gute Bilder und es gibt schlechte Bilder. Vereinfacht ausgedrückt ist ein gutes Bild eines, welches seine Botschaft so transportiert, daß sie beim Betrachter ankommt. Denn ästhetische Kriterien sind keineswegs immer gefragt. Oft schon, aber eben nicht immer.
Wenn es um den Wiedererkennungswert eines Gegenstandes geht, dann ich ein gutes Bild eines, auf welchem man ihen sofort eindeutig wiedererkennt. Es gibt Foren, in denen die Leute Bilder von irgendetwas zeigen und bei Kritik an der Bildqualität sofort losmaulen, daß es hier nicht um die Bildqualität gehe, sondern um dern gezeigten Inhalt. Dieser Vorwurf ist natürlich barer Unsinn, denn wie soll ich etwas optisch beurteilen können, wenn die Bildqualität so mies ist, daß ich es nicht einmal richtig erkennen kann?
In der Realität ist die Entscheidung über die Qualität eines Bildes allerdings oftmals weitaus schwieriger, wenn objektive Kriterien nicht allein den Ausschlag geben, sondern auch subjektive Empfindungen mit eine Rolle spielen. Nur, einen ganz bestimmten Fehler darf man dabei niemals machen. Es geht dabei nämlich IMMER um den Blickwinkel des Betrachters, das sollte der Fotograf niemals vergessen. Ein Bild der lieben Erbtante am Strand bleibt für den Betrachter solange langweilig, solange es der Fotograf nicht schafft, seine Empfindungen der Erbtante gegenüber nicht in das Bild mit einfliessen zu lassen und solange bleibt es eben ein langweiliges Dutzendbild einer ihm unbekannten Person. Schliesslich ist der Betrachter lediglich Betrachter und kein Hellseher.
Damit lasse ich es erst einmal auf sich bewenden und frage euch, was ihr davon haltet und wie ihr das seht. Die Diskussion ist hiermit eröffnet.
lg Konradin
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