"Schwiegertochter gesucht": RTL will sich nicht ändern

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  • "Schwiegertochter gesucht": RTL will sich nicht ändern

    Jan Böhmermanns Verafake hat RTL an den Pranger gestellt: Der Sender führt seine Kandidaten vor, so wie man es ihm schon lange unterstellt. Nun gelobt RTL Besserung, ohne es wirklich so zu meinen. Denn die angekündigten Maßnahmen zeigen, dass RTL sich eigentlich nicht ändern will.

    Kuppel-Shows haben im deutschen Fernsehen schon lange einen schlechten Ruf: Vorgespielte Liebe nach Drehbuch, die immer gleichen Storys und Kandidaten, die öffentlich vorgeführt werden und beim Zuschauer nicht selten den Fremdschäm-Reflex aktivieren. Gerade RTL hat da in den letzten Jahren immer wieder eine auf den Deckel bekommen, kein Wunder eigentlich, denn mit "Bauer sucht Frau" und "Schwiegertochter gesucht" bietet der Kölner Sender hier auch zwei der langlebigsten und populärsten Formate an.

    Doch was passiert wirklich bei der Produktion? Zieht RTL tatsächlich die Register, die man dem Sender immer vorwirft? Ein wenig Licht ins Dunkel brachte im Juli schließlich Jan Böhmermann mit seinem Verafake, eine Anspielung auf den Namen von "Schwiegertochter gesucht"-Moderatorin Vera Int-Veen. Er schleuste zwei Schauspieler bei dem Format ein, die genau das Klischee erfüllten und da, wo es noch nicht ganz stimmte, half das Produktionsteam laut dem Videobeitrag bereitwillig nach.

    RTL gelobte bereits kurz darauf Besserung, man wolle personell wie inhaltlich nachbessern. Das Ergebnis: Das Produktionsteam wurde getauscht und es gelten neue Richtlinien für die Kandidatenauswahl, die vermeiden sollen, dass Menschen mit geistiger Beeinträchtigung an dem Format teilnehmen. Das ist per se löblich, immerhin ist es mehr wie verantwortungslos, Menschen für ein solches Format anzuwerben, die vielleicht gar nicht verstehen können, was sie da tun.

    Konsequent etwas ändern wollen die Kölner aber nicht. Denn auch wenn die zuständigen Medienwächter der NLM einräumten, dass es sich bei den meisten Fällen lediglich um Kandidaten handelte, die von der Situation überfordert und von ihren rhetorischen Fähigkeiten eher schwach aufgestellt waren, ist es genau diese Stellschraube, an der RTL dringend drehen müsste aber es gar nicht will.

    Denn wer sich die Kandidaten der Sendung einmal ansieht, kommt nicht umhin festzustellen, dass der Kölner Sender bei der Auswahl wohl ein bestimmtes Muster verfolgt. Ein Muster, an dessen Ende ein verzweifelter Kandidat steht, der im Fernsehen auf die große Liebe hofft, aber letztlich dank passender Inszenierung und ein paar seltsamen Eigenarten zur Lachnummer im Vorabendprogramm wird.

    Kann man das dem Kölner Sender wirklich vorwerfen? Moralisch auf jeden Fall. Und doch zeigen die Einschaltquoten jedes Jahr, dass es offenbar genau das ist, was die Zuschauer sehen wollen. Kuppel-Shows sind schon lange über den Status hinaus, an denen sie uns noch suggerieren sollen, dass dort ganz normale Leute nach einem neuen Partner suchen. Jemanden wie du und ich, die findet man selten. Stattdessen sind diese Formate zu kleinen Freakshows mutiert: Mal mehr, mal weniger verrückte Typen, die natürlich alle einen wundervollen Charakter haben aber aus irgendeinem klischeehaften Grund einfach niemanden finden, letzte Station Fernsehen.

    Aus nicht immer nachvollziehbaren Gründen ist es aber genau das, was viele Zuschauer nachfragen. Wie sonst könnte sich ein Format wie "Bauer sucht Frau" schon zehn Jahre halten? Sie wollen keine zärtliche Romanze, wie sie tagtäglich in ganz Deutschland passiert, sie wollen unterhalten werden, Entertainment mit Lachpotential. Aus der Kuppel-Show ist so ein Comedy-Format geworden.

    Für RTL wäre es damit eine Frage des eigenen Rückgrats, des Niveaus, auf dem man sich mit seinem Programm bewegen will. Eine andere Kandidaten-Auswahl könnte "Schwiegertochter gesucht" ein besseres Profil geben, das weder auf Anekdoten noch den ein oder anderen witzigen Moment verzichten müsste. Es wäre weniger Fremdschämen und weniger Entsetzen darüber, wie Menschen dort vorgeführt werden. Vielleicht tun es viele Kandidaten ja sogar bereitwillig, wollen um jeden Preis ins Fernsehen. Doch auch dann stellt sich die Frage, ob ein großer Privatsender wie RTL so etwas wirklich nötig hat.

    Die angekündigten "Reformmaßnahmen" machen auf jeden Fall deutlich, dass RTL sich gar nicht ändern will. Dass man künftig Menschen mit geistigen Beeinträchtigungen nicht mehr teilnehmen lassen will, klingt eher danach, als wolle sich der Sender eher gegen künftige Beschwerden oder Klagen absichern als die Menschen vor einer öffentlichen Bloßstellung zu schützen. Man setzt also lieber weiter bewusst auf rhetorisch nicht allzu begabte Teilnehmer, die von der Situation leicht überfordert sind und sich vielleicht völlig falschen Hoffnungen hingeben. Das Armutszeugnis, dass sich die Kölner damit selbst ausstellen, wird dadurch keineswegs gemildert.

    Quelle: digitalfernsehen