Klima- und KI-Gesetz bis Herbst: von der Leyen sieht große Aufgaben als EU-Kommissionspräsidentin

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    • Klima- und KI-Gesetz bis Herbst: von der Leyen sieht große Aufgaben als EU-Kommissionspräsidentin

      Das EU-Parlament hat Ursula von der Leyen an die Spitze der Kommission gewählt. Neben dem Klimaschutz sieht sie die Digitalisierung als "zweite große Aufgabe".

      Mit der recht knappen absoluten Mehrheit von 383 zu 327 Stimmen bei 22 Enthaltungen haben die europäischen Abgeordneten Ursula von der Leyen am Dienstagabend zur Präsidentin der EU-Kommission gewählt. Grüne und Linke hatten vorab angekündigt, die CDU-Politikerin trotz anerkennenswerter Fortschritte bei ihren Zielen nicht unterstützen zu können. Im rechten Lager des Parlaments hatte sich die 60-Jährige mit den Korrekturen aber ebenfalls nicht mehr Freunde gemacht.

      Als die zwei ganz großen Herausforderungen hat von der Leyen in ihren politischen Leitlinien für das Spitzenamt sowie ihrer gut halbstündigen Rede im Plenum in Straßburg am Vormittag den Klimaschutz und die Digitalisierung benannt. Sie werde einen "grünen Deal für Europa" vorschlagen in den ersten 100 Tagen ihrer Amtszeit und dafür ein "erstes europäisches Klimagesetz" vorlegen, betonte die bisherige Bundesverteidigungsministerin. Europa solle bis 2050 der weltweit "erste klimaneutrale Kontinent" werden.

      Ehrgeizige Klimaziele
      Die künftige Präsidentin stellte eine Reduktion der Emission von Schadstoffen wie CO2 "um 50 Prozent, wenn nicht 55 Prozent" gegenüber 1990 in Aussicht. Bislang hatten sich die EU-Staaten nur auf 40 Prozent einigen können. Konkret will die designierte Nachfolgerin von Jean-Claude Junckers unter anderem das System des Emissionshandels ausweiten, einen Investitionsfonds für nachhaltige Entwicklung aufsetzen und einen Teil der Europäischen Investitionsbank in eine "Klimabank" umwandeln. Dazu kommen soll eine CO2-Grenzsteuer: Der Ausstoß von Klimakillern muss ihrer Ansicht nach einen Preis haben, "damit sich das Verhalten ändert".

      Es sei die "größte Verantwortung" und die "nobelste Pflicht" der Menschen, "unseren Planeten gesund zu halten", unterstrich die 60-Jährige. Die Welt müsse hier zwar letztlich gemeinsam handeln, die EU aber eine Führungsrolle einnehmen. Die Nachhaltigkeitsziele "sind in unser allem Interesse", sodass die Politik hier nicht länger "auf Zeit spielen" dürfe.

      Ethische KI und Pflichten im Netz
      Bei der "zweiten große Aufgabe" der Digitalisierung will von der Leyen ebenfalls binnen der ersten 100 Amtstage eine Gesetzesinitiative für einen "koordinierten Ansatz für die menschlichen und ethischen Auswirkungen der Künstlichen Intelligenz" (KI) auf den Weg bringen. Umfangreiche Vorarbeiten gibt es etwa mit einschlägigen Leitlinien einer Expertengruppe bereits. Im Blick behalten will die Christdemokratin dabei, "wie wir Big Data für Innovationen nutzen können, die Wohlstand für unsere Gesellschaften und unsere Unternehmen schaffen".
      Klima- und KI-Gesetz bis Herbst: von der Leyen sieht große Aufgaben als EU-Kommissionspräsidentin

      Nico Semsrott, für Die Partei im EU-Parlament, forderte Ursula von der Leyen zu Transparenz bei ihren Interessenlagen auf - und zeigte gleich, wie er das machen würde.

      Weiter hat die Ministerin ein Gesetz für digitale Dienste (Digital Services Act) angekündigt, um die Haftungs- und Sicherheitsregeln für Online-Plattformen zu aktualisieren und den digitalen Binnenmarkt zu vollenden. Erste Eckpunkte dazu kursieren bereits. Demnach soll es für die Betreiber mehr Pflichten geben, im Kampf gegen illegale Inhalte und Hasskommentare einzuschreiten und etwa auch Upload-Filter analog zur umstrittenen Copyright-Richtlinie einzusetzen. Vorgesehen sind ferner Mechanismen, um Online-Werbung zu regulieren und Diensteanbieter wie WhatsApp auf "Interoperabilität" zu eichen.

      "Wir sollten einen gemeinsamen Ansatz und Standards entwickeln, um Dinge wie Desinformation und Online-Hassbotschaften anzugehen", wirbt von der Leyen in ihren Leitlinien für diesen Teil des Plans. Sie schlägt zudem eine "Cybereinheit" vor, um den Austausch von Informationen zu beschleunigen und "uns besser zu schützen". Ferner bringt sie "gemeinsame Standards für unsere 5G-Netzwerke" ins Spiel. Es sei generell nicht zu spät, um die "technologische Souveränität" der EU in "einigen entscheidenden Technologiegebieten zu erreichen". Dafür soll speziell die Forschung etwa rund um Blockchain, Quantencomputer, Algorithmen und Big Data intensiviert werden.

      Digitalisierung der EU
      Die Kommission selbst will die promovierte Ärztin vollständig digitalisieren und dafür neue Methoden und diplomatische Instrumente einsetzen, die auch die Transparenz erhöhen sollen. Für nötig hält sie es ferner, die Ausbildung neu zu denken und dafür das Potenzial des Internets etwa durch die verstärkten Anwendung offener Online-Kurse auszunutzen. Digitale Fähigkeiten müssten – genauso wie die für Lesen oder Schreiben – zum Grundgerüst aller werden.

      In einer ersten Reaktion auf Kommentare von Abgeordneten bezeichnete es von der Leyen als unerlässlich, die Grundprinzipien des Arbeitnehmerschutzes etwa auf Click- und Crowdworker zu übertragen. Viele bekämen "die rasante Digitalisierung unserer Arbeitswelt" mittlerweile genauso konkret zu spüren wie den Klimawandel oder die Globalisierung. Sie werde sich für eine "faire Besteuerung einsetzen, auch für digitale Geschäfte", machte die Kandidatin klar. Tech-Riesen dürften "keine Spielchen betreiben mit unserem Steuersystem", sondern müssten sich im Sinne der sozialen Marktwirtschaft auch an den Lasten beteiligen. Sollte es bis Ende 2020 keine globale Lösung für eine Digitalsteuer geben, müsse die EU hier allein handeln.

      Lob und Kritik
      Manfred Weber, der einstige Spitzenkandidat der konservativen Fraktion der Europäischen Volkspartei (EVP), der auch von der Leyen angehört, erinnerte daran, dass durch das Verfahren der Nominierung der Kollegin durch die Staats- und Regierungschefs der EU aufgrund von parteipolitischen Egoismen "Schaden für die Demokratie entstanden" sei. Trotzdem müssten sich die Gremien nun aufeinander verlassen können. Der CSU-Politiker begrüßte den Plan der vorgesehenen Kommissionschefin für ein "legislatives Initiativrecht" des Parlaments, "damit die Hinterzimmer endlich der Vergangenheit angehören".

      "Es braucht ein Klimagesetz mit verbindlichen Reduktionszielen, es darf aber auch niemand zurückbleiben", stellte sich die spanische Sozialistin Iratxe García Pérez als Vorsitzende der sozialdemokratischen Fraktion weitgehend hinter von der Leyen. Das gemeinsame europäische Haus "steht in Flammen" aufgrund des Klimanotstands, der Ungleichheit und "Angriffen auf den Rechtsstaat", beklagte dagegen mit Philippe Lamberts der Co-Vorsitzende der Grünen. Die Kandidatin sei bei Gegenmaßnahmen "hinter unseren Erwartungen" zurück und insgesamt zu vage geblieben.

      "Samthandschuhe sind das falsche Werkzeug, um etwa gegen Steuerdumping vorzugehen", monierte der Linke Martin Schirdewan. Jörg Meuthen (AfD) machte für die rechtspopulistische Fraktion "Identität und Demokratie" eine "sozialistische Anbiederungsperformance" bei der Ministerin aus, die in ihrer Heimat den Ansprüchen an Amtsführung und Politikgestaltung "in keinem ihrer Ämter zufriedenstellend gerecht geworden" sei. Nico Semsrott von der "Partei" forderte die Deutsche auf, ihre Interessen völlig offenzulegen. Wie dies aussehen könnte, zeigte er mit lauter "Sponsoren-Stickern" etwa von Beraterfirmen oder der EU-Verteidigungsunion auf seinem obligatorischen schwarzen Kapuzenpulli.

      Quelle: Klima- und KI-Gesetz bis Herbst: von der Leyen sieht große Aufgaben als EU-Kommissionspräsidentin | heise online
    • EU-Kommission stellt Verbot allgemeiner Netzüberwachung in Frage

      Online-Plattformen sollen für digitale Dienste etwa bei Fehlinformation stärker haften. Dazu holt die EU-Kommission Meinungen ein.

      Die EU-Kommission hat eine Konsultation zur E-Commerce-Richtlinie eröffnet. Damit stellt sie Haftungsprivilegien für Zugangs- und Inhalteanbieter auf den Prüfstand. An der Konsultation können sich Bürger, Unternehmen, Diensteanbieter, Vertreter aus Wissenschaft und Zivilgesellschaft sowie alle anderen Interessenträger bis zum 8. September beteiligen.

      Dabei gelte es, Antworten auf schwierige Fragen zu finden, heißt es aus Brüssel: "Welche Rolle spielen Plattformen bei der Vermeidung von Fehlinformationen während einer Wahl oder einer Gesundheitskrise? Wie verhindern wir, dass sich Hassreden online verbreiten?" Es gehe darum, "wie das richtige Gleichgewicht zwischen einem sicheren Internet für alle, dem Schutz der Meinungsfreiheit und der Gewährleistung von genügend Spielraum für Innovationen im EU-Binnenmarkt hergestellt werden kann".

      Wichtiges Internetgesetz
      Die Kommission hat vor, die Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr mit dem von ihr geplanten "Digital Services Act" weitgehend zu ersetzen und so zugleich das wichtigste Internetgesetz der laufenden Legislaturperiode zu gestalten. Der derzeitige Rechtsrahmen habe "das Wachstum der digitalen Dienste in Europa" unterstützt. Die aktuelle "Rolle und Verantwortung insbesondere der größten Online-Plattformen" bleibe darin aber weitgehend außen vor.

      Bislang sind Diensteanbieter nicht verpflichtet, die von ihnen übermittelten oder gespeicherten Informationen zu überwachen oder nach Umständen zu forschen, die auf eine rechtswidrige Tätigkeit hinweisen. Provider haften zudem aktuell nicht für fremde von ihnen übertragene Inhalte, wenn sie deren Transfer nicht selbst veranlasst sowie "nicht ausgewählt oder verändert haben". Bei ihnen gespeicherte Informationen Dritter müssen sie nur unverzüglich entfernen, wenn sie Kenntnis davon erlangt haben, dass diese rechtswidrig sind. Die Kommission will hier nun "klare und moderne Vorschriften über die Rolle und die Pflichten von Online-Vermittlern aufstellen". Dabei sollen ausdrücklich außereuropäische Anbieter einbezogen werden, wenn sie in der EU tätig sind.

      Wenige Anbieter
      Die Kommission will auch bessere Wettbewerbsbedingungen und Auswahl für Verbraucher schaffen, da zurzeit einige wenige große Online-Plattformen als Gatekeeper agierten. Parallel hat die Kommission zu diesem Feld eine zweite Umfrage zu einem verschärften Kartellrecht mit einer möglichen Voraus-Regulierung digitaler Plattformen gestartet.

      In einer ersten Folgenabschätzung schildert die Kommission politische Handlungsoptionen etwa für neue Filterpflichten in Form eines "Notice-and-Action"-Systems und Ansätzen gegen Anonymität im Internet. Sie räumt aber auch ein, dass dabei Grundrechte wie etwa zum freien Informationsaustausch betroffen wären. Die abgegebenen Meinungen sollen in ein Gesetzespaket einfließen, das die Kommission voraussichtlich Ende 2020 vorlegen will.

      Quelle: EU-Kommission stellt Verbot allgemeiner Netzüberwachung in Frage | heise online