Facebooks Löschungen bald extern überprüfbar

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  • Facebooks Löschungen bald extern überprüfbar

    Facebook will es ermöglichen, seine Zensurentscheidungen extern zu überprüfen. Der Konzern tritt bei der Regulierung die Flucht nach vorne an.

    Facebook arbeitet daran, externe Überprüfungen seiner Vorgehensweise beim Löschen von Inhalten zu ermöglichen. CEO Mark Zuckerberg hat das ohne weitere Details in einem Beitrag in der Financial Times bekanntgegeben. Offen ist, wer wann eine externe Überprüfung verlangen kann, wer sie durchführen darf und was das Ergebnis bewirken könnte.

    Facebook wird von verschiedenen Seiten vorgeworfen, zu viele oder zu wenige Beiträge zu entfernen – und einigen Politikern geht auch das Löschen von Hassrede, Terrorpropaganda und Gewalt nicht schnell genug. Das Online-Netzwerk richtet aktuell auch ein neues unabhängiges Gremium ein, bei dem Nutzer Widerspruch gegen das Löschen ihrer Inhalte einlegen können.

    Forderung nach Regulierung soll die Diskussion leiten
    Zuckerberg wiederholte in dem Beitrag seinen Aufruf an die Politik, Online-Firmen Leitplanken durch mehr Regulierung zu geben. Dazu gehöre das Recht der Nutzer, ihre Daten von einem Dienste-Anbieter zu einem anderen zu übertragen – die sogenannte Datenportabilität. "Ohne klare Regeln zur Portabilität stiften strikte Datenschutz-Regeln Unternehmen dazu an, Informationen unter Verschluss zu halten und nicht mit anderen zu teilen, um regulatorische Risiken zu vermeiden", schrieb Zuckerberg.

    Facebook.com hat seinen Nutzern jüngst Einblick und Kontrolle über geteilte Daten von Fremddiensten gewährt. Zuckerberg verwies auf offene Fragen bei heutigen Regelungen. Wie entscheide man zum Beispiel darüber, wem bestimmte Daten gehörten. "Wenn ich etwas mit Ihnen teile, etwa mein Geburtsdatum, sollten Sie in der Lage sein, diese Information zu anderen Diensten mitzunehmen?"

    "Ich glaube, dass gute Regulierung Facebooks Geschäft kurzfristig schaden kann – aber auf lange Sicht besser für alle sein wird, uns inklusive", schrieb der Facebook-Gründer. Zugleich werde Facebook "natürlich nicht" mit allen Vorschlägen einverstanden sein. So seien Millionen kleinerer Unternehmen auf Facebooks Expertise bei der Datenanalyse angewiesen.

    Quelle: Facebooks Löschungen bald extern überprüfbar | heise online
  • Facebooks Oversight Board erlaubt Goebbels-Zitat und nackte Brüste

    Die ersten Entscheidungen des Facebook Beschwerde-Rats machen 4 der 5 überprüften Zensurentscheidungen rückgängig. Sogar eine COVID-Lüge wird wiederhergestellt.

    Facebooks Oversight Board hat am Mittwoch seine ersten Entscheidungen veröffentlicht. Dieser unabhängige Beschwerde-Rat überprüft ausgewählte Streitfälle zwischen dem Konzern und seinen Anwendern. In vier der fünf veröffentlichten Fälle gibt das Gremium den Nutzern recht, nur in einem den Facebook-Zensoren.

    Bei Einrichtung des Beschwerde-Rates hat sich Facebook dazu verpflichtet, die Entscheidungen umzusetzen. Im Dezember startete Facebooks Oversight Board mit ersten Fällen, die nun entschieden worden sind. Dazu gehört ein im Oktober ohne weiteren Kommentar auf Englisch gepostetes angebliches Goebbels-Zitat. Joseph Goebbels war Hitlers Propagandaminister und steht seit 2009 bei Facebook auf der Liste gefährlicher Personen und Organisationen.

    Antworten auf Postings sind wichtig für Zensurentscheidung
    Deren Zitate löscht Facebook, sofern die Poster nicht klarstellen, dass sie deren Gesinnung oder Absichten nicht unterstützen – egal, ob das Zitat der gefährlichen Person korrekt oder fälschlich zugeschrieben wird. In diesem Fall war die Löschung aber unzulässig, sagt das Oversight Board, weil der Poster keine Nazi-Ideologie unterstützt habe. Vielmehr sei aus den Reaktionen auf das Posting ersichtlich, dass der Autor einen kritischen Vergleich zum damaligen US-Präsidenten Donald Trump habe ziehen wollen.

    Das Beschwerdegremium kritisiert, dass die öffentliche Version der Zensurregeln Facebooks in diesem Bereich undeutlich seien (2020-005-FB-UA). Es empfiehlt Facebook, in seinen Vorschriften Begriffe wie "Lob", "Unterstützung" und "Darstellung" zu erklären und mit Beispielen zu erläutern. Außerdem solle Facebook die Liste der verbotenen Personen und Organisationen veröffentlichen, oder zumindest Beispiele nennen. Schließlich müsse Facebook bei Zensurentscheidungen stets die Gründe und die genauen Bestimmungen angeben, mahnt das Gremium ein.

    Falsche Heilungsversprechen zu COVID-19
    Ebenfalls wieder online stellen muss Facebook ein Video aus Frankreich, das fälschlich behauptet, es gäbe eine COVID-19 heilende Medikamentenkombination mit Hydroxychloroquin. Diesen Fall hatte Facebook selbst eingereicht, um Klarheit zu schaffen. Das Oversight Board erkennt in der Heilslüge keine "unmittelbare" Gefahr, weil die genannten Medikamente in Frankreich verschreibungspflichtig sind und das Video nicht zu ihrer Einnahme auffordere (2020-006-FB-FBR).

    Außerdem habe Facebook im Verfahren nicht dargelegt, warum es keine milderen Mittel als die Löschung des Videos gewählt habe, etwa einen Warnhinweis. Das Gremium kritisiert Facebooks Vorschriften über Falschinformation und unmittelbare Gefahren als vage und als mit den Menschenrechten unvereinbar. Hausaufgabe für Facebook ist, einheitliche und deutlichere Vorschriften über medizinische Falschinformation abzufassen, weniger gravierende Eingriffe als Löschungen zu erarbeiten, und einen Transparenzbericht über die Durchsetzung der Vorschriften während der Coronavirus-Pandemie zu schreiben.

    Kritik an muslimischer Doppelmoral
    Ende Oktober hat Facebook einen Moslem-kritischen Beitrag gesperrt. Ein User in Myanmar hatte Muslime dafür kritisiert, als Reaktion auf Karikaturen in Frankreich Menschen umzubringen, während sie die Misshandlung uigurischer Muslime in der Volksrepublik China hinnehmen.

    Allerdings zeigt das Posting auch das berühmte Bild der an einem türkischen Strand angeschwemmten Leiche Alan Kurdis, einem im Mittelmeer ertrunkenen drei Jahre alten Knaben. Der Facebook-User dürfte seiner geringen Anteilnahme an dem Tod des Kleinkindes Ausdruck verliehen haben, unter anderem weil das Kind womöglich zu einem Extremisten herangewachsen wäre.

    Facebook begründete die Löschung mit seinem Verbot von Hassrede. Das Oversight Board ließ den Text neu aus dem Birmanischen übersetzen und ist zu dem Schluss gekommen, dass die konkret gebrauchten Begriffe weder abwertend noch auf Gewalt gerichtet sind (2020-002-FB-UA). Zwar könne der Beitrag als pejorativ und anstößig gegenüber Muslimen angesehen werden, doch "hat er keinen Hass befürwortet noch absichtlich zu unmittelbarem Schaden angestiftet. Daher erachtet das Board die Löschung nicht notwendig, um die Rechte anderer zu schützen."

    Nackte Brüste für Brustkrebs-Kampagne sind OK
    Einfacher stellen sich die beiden übrigen Fälle dar: Ein User in Brasilien hatte auf Instagram eine Reihe von Fotos gepostet, die Brustkrebssymptome zeigen. Das war Teil einer Kampagne zur Erkennung der Krankheit. Auf einigen Fotos waren naturbedingt Nippel zu sehen. Ein automatisches System löschte das Posting, auch eine Beschwerde des Users half nichts.

    Erst als das Oversight Board beschloss, den Fall näher zu untersuchen, bekannte Facebook seinen Irrtum, stellte den Beitrag wieder her, und begehrte vergebens die Einstellung des Verfahrens. "Die fälschliche Entfernung des Beitrags zeigt einen Mangel an Kontrolle (der automatischen Löschung) durch Menschen", hält das Oversight Board fest, "Facebooks automatische Systeme versagen bei der Erkennung des Wortes "Brustkrebs", die im Bild auf Portugiesisch zu sehen waren." (2020-004-IG-UA)

    Automatische Zensur braucht menschliche Aufseher
    Die Löschung sei falsch und ein Verstoß gegen Facebooks eigene Richtlinien gewesen. "Da Facebooks Regeln männliche und weibliche Nippel anders behandeln, ist der Einsatz fehlerhafter Automatisierung zur Durchsetzung dieser Regeln ein disproportionaler Eingriff in das Recht von Frauen auf freie Rede." Regeldurchsetzung, die ohne adäquate Kontrolle durch Menschen alleine auf Automatismen beruht, beeinträchtige ebenfalls unzulässig die freie Rede.

    Die einzige bestätigte Zensurentscheidung betrifft Russland: Während des Krieges um Bergkarabach hatte ein User einen herabwürdigenden Begriff für Bürger eines der beteiligten Länder gebraucht. "Angesichts der entmenschlichenden Weise der Beleidigung und der Gefahr, dass solche Beleidigungen in physische Gewalt ausarten können, war es Facebook in diesem Fall gestattet, die Sicherheit und Würde von Menschen über die (freie Rede) des Users zu stellen." (2020-003-FB-UA)

    Quelle: Facebooks Oversight Board erlaubt Goebbels-Zitat und nackte Brüste | heise online