Bundesverfassungsgericht erklärt Gesetz über EU-Patent für nichtig

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    • Bundesverfassungsgericht erklärt Gesetz über EU-Patent für nichtig

      Da die deutsche Teilnahme am EU-Patentgericht nicht mit Zwei-Drittel-Mehrheit beschlossen wurde, erklärte das Bundesverfassungsgerichts das Gesetz für nichtig.

      Nach dem Rückzug Großbritanniens vom EU-Gemeinschaftspatent hat die heute veröffentlichte Entscheidung des Bundesverfassungsgeerichts dem Projekt einen weiteren Rückschlag versetzt. Der Düsseldorfer Patentanwalt Ingve Stjerna hatte das Verfahren 2 BvR 739/17 im Jahr 2017 angestrengt und beklagte sowohl formale als auch inhaltliche Verstöße gegen das Grundgesetz.

      Im Kern ging es dabei nicht um die EU-Verordnung zum Gemeinschaftspatent, sondern um das damit eng verbundene, aber formal getrennte zwischenstaatliche Abkommen über die Patentgerichte (UPC). 2013 ratifizierte der Bundestag dieses Abkommen per Gesetz in einer Sitzung, bei der nicht einmal 40 Abgeordnete anwesend waren.

      Gesetz hätte Zwei-Drittel-Mehrheit erfordert
      Stjernas Auffassung zufolge hätte das Gesetz jedoch mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit beschlossen werden müssen, da es Hoheitsrechte der Bundesrepublik abgibt. Dieser Meinung schloss sich das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung an und erklärte das Zustimmungsgesetz deshalb für nichtig.

      Nicht durchsetzen konnte sich der Kläger jedoch mit seinen inhaltlichen Einwänden. So hatte er etwa beklagt, es mangele an Rechtsgrundlagen für die Auswahl und Ernennung der EU-Patentrichter. Da das Bundesverfassungsgericht Stjernas inhaltliche Klagepunkte für unbegründet hielt, könnte der Bundestag das Zustimmungsgesetz erneut verabschieden, wenn zwei Drittel der Abgeordneten zustimmen.

      EU-Gemeinschaftspatent sollte Vereinfachungen bringen
      Das EU-Gemeinschaftspatent, genauer das „europäische Patent mit einheitlicher Wirkung“, wird seit Jahrzehnten in der EU diskutiert. Zwar gibt es schon seit 1973 ein Europäisches Patentabkommen, auf dessen Grundlage das Europäische Patentamt (EPO) arbeitet. Daran sind nicht nur die EU-Staaten, sondern auch zum Beispiel die Türkei beteiligt.

      Vom EPO erteilte Patente gelten jedoch bisher nur in den Ländern, für die der Patentinhaber dies ausdrücklich beantragt, während das EU-Gemeinschaftspatent automatisch in den teilnehmenden Mitgliedsländern gelten würde. Außerdem unterliegen die bisherigen europäischen Patente dem Recht der jeweiligen Geltungsländer.

      Nur einmal gegen Patentverletzungen klagen müssen
      Mit dem Gemeinschaftspatent will die EU hingegen eine einheitliche Gerichtsbarkeit schaffen, sodass etwa Klagen wegen Patentverletzungen nicht mehr in jedem Land einzeln nötig wären. Kritiker beklagen jedoch, dass ausgerechnet diese Patentgerichtsbarkeit nicht als EU-Recht ausgestaltet ist, sondern als zwischenstaatliches Abkommen. Damit es in Kraft treten kann, ist die Ratifizierung durch Großbritannien, Deutschland und Frankreich erforderlich – und die deutsche fehlt jetzt.

      Es dürfte also noch etwas dauern mit dem EU-Gemeinschaftspatent. Und auch dem EPO droht Ungemach: Gegen Teile des Europäischen Patentabkommens liegen seit Jahren mehrere Beschwerden beim Bundesverfassungsgericht vor.

      Quelle: Bundesverfassungsgericht erklärt Gesetz über EU-Patent für nichtig | heise online
    • Justizministerium nimmt neuen Anlauf für EU-Einheitspatent

      Die Regierung will das von Karlsruhe kassierte Gesetz für das EU-Patentgericht unverändert wieder dem Bundestag vorlegen. Dagegen wird protestiert.

      Das Bundesjustizministerium hält unverändert an einem Gesetz zum EU-Einheitspatent fest, obwohl es vom Bundesverfassungsgericht für nichtig erklärt wurde. Justizministerin Christine Lambrecht (SPD) hat am Mittwoch einen Referentenentwurf veröffentlicht, um das europäische Übereinkommen von 2013 über ein einheitliches Patentgericht zum zweiten Mal durch das Parlament zu bringen. "Der Wortlaut des Gesetzes ist unverändert", heißt es darin. Nur die Begründung enthalte "notwendige Aktualisierungen": So solle der vom Verfassungsgericht festgestellte Formmangel behoben werden, indem das Vertragsgesetz von Bundestag und Bundesrat nun mit Zweidrittelmehrheit beschlossen werde.

      2017 war die Entscheidung der rund 40 versammelten Volksvertreter komplett ohne Gegenstimmen oder Enthaltungen zustande gekommen. Theoretisch könnte die Zweidrittelmehrheit im zweiten Anlauf erreicht werden. Denkbar ist aber auch, dass sich Teile der Opposition diesmal querstellen, zum Beispiel da sich die Voraussetzungen für das Einheitspatent mit dem Rückzug der Briten deutlich gewandelt haben.

      Ausgemachte Gegner der Patentinitiative und auf gewerblichen Rechtsschutz spezialisierte Anwälte zeigen sich bereits konsterniert von dem Vorhaben. Sollte Deutschland den internationalen Vertrag formell noch mit London als Sitz eines Teils des vorgesehenen Patentgerichtshofs ratifizieren, würde es den Brexit völlig ignorieren und "EU-Recht verletzen", warnt der Förderverein für eine freie informationelle Infrastruktur (FFII). Höchstrichterlich sei klargestellt, dass solche Abkommen nur EU-Mitgliedsstaaten offen ständen.

      Warnung vor Trollen
      Dem FFII zufolge hat das Ministerium keine Analysen publiziert, wie sich das geplante Einheitspatent auf kleine und mittlere Unternehmen auswirken und das Europäische Patentamt rechtskonform eingebunden werden könnte. Der Verein warnt seit Langem, dass vor allem große US-Konzerne und "Patent-Trolle" künftig über die neue Gerichtsinstanz mittelständische Firmen ohne großes Portfolio an gewerblichen Schutzrechten in der EU in Grund und Boden klagen könnten. Besonders die umkämpften Softwarepatente wären durch die vereinheitlichte Rechtsprechung leichter durchsetzbar.

      Der Düsseldorfer Patentanwalt Ingve Stjerna hatte das Verfahren in Karlsruhe angestrengt und beklagte neben den formalen auch inhaltliche Verstöße gegen das Grundgesetz wie etwa die Auswahl der EU-Patentrichter. Damit setzte sich das Verfassungsgericht aber nicht auseinander. Da sich der neue Gesetzentwurf mit derlei Belangen nicht beschäftige, wäre das Patentgericht nach wie vor angreifbar, erklärte der Münchner Patentanwalt Tilman Müller-Stoy gegenüber dem Fachdienst Juve.

      Sein Kollege Alan Johnson warf die Frage auf, ob Großbritannien automatisch dem Übereinkommen angegliedert werde, wenn London weiter als Gerichtsstand angegeben werde und die britische Regierung nicht offiziell aus dem Vertrag ausgestiegen sei. Der Patentanwalt Winfried Tilmann unterstützt dagegen den Entwurf des Justizministeriums. Er hatte zuvor dargelegt, dass die London-Frage und Alternativen auch noch entschieden werden könnten, wenn der Vertrag von allen benötigten Parteien unterschrieben sei.

      Quelle: Justizministerium nimmt neuen Anlauf für EU-Einheitspatent | heise online
    • Europäisches Patentamt dreht weiter an der Softwarepatent-Schraube

      Die Große Beschwerdekammer des Europäischen Patentamts hat entschieden, dass Computersimulationen einen "technischen Effekt" haben und patentierbar sein können.

      Beim Europäischen Patentamt (EPA) dürfte es künftig noch einfacher werden, gewerbliche Schutzrechte auf Software erteilt zu bekommen. Die Große Beschwerdekammer der Münchner Behörde hat am Mittwoch im Fall G 1/19 geurteilt, dass auch reine Computersimulationen einen "technischen Effekt" entfalten und so prinzipiell patentierbar sein können. Dafür müssten sie in der Folge noch den Stand der Technik voranbringen und so die Innovationshürde überspringen.

      Softwarepatente um reine Designlösungen erweitert
      In dem Beschluss der höchstgerichtlichen Instanz im Rahmen des Europäischen Patentübereinkommens (EPÜ) geht es um den Patentantrag Nummer 03793825.5 der US-Firma Bentley Systems, die Konstruktionssoftware herstellt. Das Unternehmen will mit der Anmeldung einen gewerblichen Rechtsschutz für eine Computersimulation erhalten, mit der der Fluss mehrerer Fußgänger durch eine Umgebung wie ein Gebäude abgebildet wird. Die zuständige Prüfabteilung wies das Ersuchen zunächst zurück. Sie monierte vor allem, dass die Simulation nicht zum technischen Charakter der beanspruchten Erfindung beitrage.

      Bentley Systems ging gegen die Ansage in die Berufung. Die zuständige Technische Beschwerdekammer legte der Großen Beschwerdekammer daraufhin drei grundsätzliche Fragen zur Patentierbarkeit "computerimplementierter Simulationen" vor. Sie ging dabei davon aus, dass es sich bei der Bentley-Software um eine allein im Rechner stattfindende Simulation "als solche" handle. Die angerufene Instanz blieb nun aber ihrer umstrittenen Linie rund um Softwarepatente treu und erweiterte sie um reine Designlösungen.

      Technischer Charakter
      Das EPÜ schließt "Programme für Datenverarbeitungsanlagen" beziehungsweise Software "als solche" in Artikel 52 von der Patentierbarkeit aus, da es sich dabei nicht um technische Erfindungen handelt. Die Beschwerdekammern des EPA legen diese Klausel aber seit Jahrzehnten so aus, dass sie Monopolansprüche auf "computerimplementierte Erfindungen" zulassen. So gehen sie etwa bei der "Verbesserung des Kontrastes" eines Bilds oder der effizienteren Aufteilung von Arbeitsspeicher durch ein Computerprogramm von einem "technischen Effekt" aus, der schutzwürdig sein kann. Laut Kritikern wird damit der EPÜ-Kerngehalt ausgehöhlt.

      Die Große Beschwerdekammer bezog sich in ihrer aktuellen Entscheidung nun hauptsächlich auf den Comvik-Fall von 2002. Patente auf "reine Geschäftsmethoden" sollen damit von vornherein ausgeschlossen bleiben, nicht jedoch softwaregestützte Verfahren, solange auch nur ein Element der Ansprüche einen technischen Charakter hat. Simulationen sind demnach so einzuschätzen wie alle anderen computerimplementierte Erfindungen.

      Patente auf Saatgut
      Weiter stellte die Kammer fest, dass ein beanspruchtes Merkmal einer computerimplementierten Erfindung nicht nur dann zu deren technischem Charakter beitragen kann, wenn es mit einer technischen Wirkung in Form einer Eingabe wie einer Messung eines physikalischen Werts oder einer Ausgabe etwa eines Steuersignals für eine Maschine verbunden ist. Ein solcher direkter Bezug zur physikalischen Realität sei nicht in jedem Fall erforderlich. Technische Effekte könnten auch innerhalb des computerimplementierten Prozesses auftreten, etwa durch spezifische Anpassungen eines Rechners oder der Datenübertragung. Zuvor hatte das EPA bereits Ansprüche auf Maschinenlernen und Cloud Computing erleichtert.

      Für Unmut sorgt derweil auch der vergleichbare Kurs der Behörde bei Biopatenten. Die Kampagne "Keine Patente auf Saatgut" hat Bundesjustizministerin Christine Lambrecht dazu am Donnerstag einen Bericht über Patentanträge auf konventionell gezüchtete Pflanzen übergeben. Die Mitgliederorganisationen fordern die SPD-Politikerin auf, Maßnahmen gegen die Patentierung von Flora und Fauna zu ergreifen, wie es Schwarz-Rot im Koalitionsvertrag vereinbart habe. Es gebe bereits zahlreiche Beispiele dafür, wie BASF, Bayer-Monsanto, DowDupont, Syngenta & Co. rechtliche Schlupflöcher beim EPA nutzten, um Patente auf Gerste und Bier, Melonen oder auch Salat aus biologischer Züchtung zu erhalten.

      Quelle: Europäisches Patentamt dreht weiter an der Softwarepatent-Schraube | heise online