Stresstest für E-Autos: Roamingkonflikt in der Ladeinfrastruktur

  • Auto & Recht

  • mad.de
  • 969 Aufrufe 1 Antwort

Diese Seite verwendet Cookies. Durch die Nutzung unserer Seite erklären Sie sich damit einverstanden, dass wir Cookies setzen. Weitere Informationen

  • Stresstest für E-Autos: Roamingkonflikt in der Ladeinfrastruktur

    Der Streit um Roaminggebühren an der Ladesäule droht zu eskalieren. Im Extremfall bekommen Elektroautos keinen Strom.

    Der Strom fließt nicht mehr. An den ultraschnellen Gleichstrom-Ladesäulen von Ionity bekommen die Kunden von EnBW mobility+ keine elektrische Energie. Das ist ausdrücklich kein Aprilscherz.

    Und es betrifft auch alle Nutzer von ADAC e-charge, denn die Ladekarte des größten deutschen Automobilclubs ist in Wirklichkeit das EnBW-Produkt in ADAC-Verpackung. Was die Besitzer von Elektroautos zurzeit erleben, ist das Ergebnis eines Konflikts um Roaminggebühren für die Ladeinfrastruktur.

    Marktgesetze, oder?
    Die Bewertung dieses bisher nur im Hintergrund ausgetragenen Kampfes ums Geld ist höchst unterschiedlich: Für die einen werden hier lediglich die natürlichen Marktgesetze sichtbar. Für die anderen ist der Stromstopp der wiederholte Beweis, dass es einfach nicht läuft bei den batterieelektrischen Autos, sobald die Sicherheit der heimischen Wallbox verlassen wird.

    Eigentlich hat die Liberalisierung des Strommarkts gut funktioniert – zumindest für Privatkunden sowie deren Häuser und Wohnungen. Jeder kann seinen Anbieter völlig frei wählen und bekommt für den eigenen Haushalt den gewünschten Tarif. Die lokalen Versorgungsnetzbetreiber, von denen es in Deutschland über 900 gibt, werden über die Netzentgelte für die Nutzung der Leitungen bezahlt: Laut Bundesnetzagentur machen diese Entschädigungen knapp ein Viertel des Endverbraucherpreises einer Kilowattstunde aus.

    Der CPO investiert in die Hardware – mit Staatshilfe
    Bei der öffentlichen Ladeinfrastruktur für Elektroautos hat sich eine andere Struktur etabliert. Auf der einen Seite gibt es den sogenannten „Charge Point Operator“. Der englische Begriff sowie das Kürzel CPO haben sich in der Branche durchgesetzt. Der CPO baut die Infrastruktur auf und betreibt sie. Er investiert in die Hardware und trägt damit das höchste finanzielle Risiko. Der Staat hilft mit immer neuen Förderprogrammen, bei denen im Regelfall bis zu 50 Prozent der Kosten für die Säulen und bis zu 75 Prozent für zusätzliche Anschlusskosten wie einen Transformator subventioniert werden.

    Aus etlichen Gesprächen mit Branchenvertretern wird dennoch klar, dass der Aufbau von Ladeinfrastruktur für Elektroautos in der aktuellen Lage, also mit relativ wenigen Fahrzeugen und entsprechend geringer Auslastung, kein Geschäftsmodell ist. Es wird dann zweckoptimistisch von langfristigen Perspektiven gesprochen, von zukünftiger Kundenbindung und dem Tag, an dem die Elektromobilität endlich in die Masse geht. Ab 2025 könnte es eine schwarze Null geben.

    Der Charge Point Operator hat oft keinen direkten Kontakt zum Endkunden. Ein Beispiel dafür ist Ionity, das Joint Venture der deutschen Autokonzerne BMW Group, Daimler AG und Volkswagen AG sowie der Ford Motor Company. Ionity schließt keine Verträge mit Elektroautofahrern. Die Käufer eines Porsche Taycan (Fahrbericht) können stattdessen über den markeneigenen Charging Service Strom für nur 33 Cent pro kWh laden; die Grundgebühr von 179 Euro pro Jahr entfällt für mindestens drei Jahre. Das ist angesichts der Hardwarekosten für die Säulen, die mit bis zu 350 kW Leistung die Spitze markieren, ein Spottpreis. Die Beteiligten von Ionity achten also darauf, ihre eigenen Käufer zu bevorzugen – schließlich haben sie auch investiert.

    Bereitsteller
    Auf der anderen Seite stehen die „Bereitsteller der Elektromobilität“. Das sperrige Wort ist die deutsche Übersetzung der Abkürzung EMP, was wiederum für „Electric Mobility Provider“ steht. Alternativ ist auch von Mobility Service Providern oder MSP die Rede; beide Begriffe werden synonym gebraucht.

    Der EMP hat die direkte Beziehung zum Elektroautofahrer. Er stellt eine App oder eine RFID-Karte zum Freischalten des Stroms an der Ladesäule zur Verfügung, er verkauft Strom und rechnet ab. Das funktioniert inzwischen durch einheitliche Software (Hubject Intercharge, Smartlab e-clearing.net) fast überall; die Zeiten, in der man Dutzende Ladekarten brauchte, um sich durch die Republik und Europa zu hangeln, sind weitgehend vorbei.

    B2B-Tarif zwischen CPO und EMP
    Zwischen dem jeweiligen EMP und dem CPO gibt es also eine Direktbeziehung und einen B2B-Roamingtarif. Dieser wird frei zwischen den Unternehmen verhandelt und ist für den Endkunden nicht einsehbar. Bei der Vertragsgestaltung gibt es keine gesetzlichen Vorgaben. Mittlerweile sind die meisten Abrechnungsmodelle zwischen CPO und EMP Kilowattstunden-basiert, es gibt aber auch Pauschalpreise, Zeittarife und andere gewachsene Strukturen.

    Ladekartenchaos, Abrechnungswirrwarr, Infrastrukturstreit
    Neben der strikten Trennung zwischen CPOs wie Allego oder Ionity und reinen EMPs wie Plugsurfing gibt es viele Unternehmen, die sich in beiden Positionen befinden. Am bekanntesten ist die EnBW, die einerseits kontinuierlich und ausdauernd Ladeinfrastruktur errichtet – momentan sind es 372 Schnell-Ladepunkt an 308 Standorten – und andererseits über den Tarif EnBW mobility+ sowie das Co-Produkt ADAC e-charge viele Endkunden pflegt. Sie haben Zugang zu über 40.000 Ladepunkten von diversen CPOs in Deutschland, Österreich und der Schweiz.

    Preisgarantie an eigenen und fremden Ladesäulen
    Der Elektroautofahrer zahlt pro Kilowattstunde bei EnBW mobility+ entweder 49 Cent für schnellen Gleich- und 39 Cent für gemächlichen Wechselstrom. Oder er entrichtet eine monatliche Grundgebühr von 4,99 Euro und überweist jeweils zehn Cent weniger pro Kilowattstunde, also 39 und 29 Cent. Egal wo. Diese Tarife garantiert die EnBW also sowohl an der selbst errichteten Ladeinfrastruktur als auch bei allen Partnern, wo das Unternehmen demnach EMP und nicht CPO ist.

    Lars Walch, Leiter Geschäftsmodelle und Vertrieb E-Mobilität der EnBW, erklärt zu den Gleichstromtarifen gegenüber heise/Autos: „Bei einer steigenden Auslastung muss auf lange Sicht ein Preis von 39 bis 49 Cent wirtschaftlich darstellbar sein, obwohl alle Steuern und Abgaben auf den Strompreis bezahlt werden müssen.“ Das Ziel der EnBW sei es, „Kunden für die Elektromobilität zu begeistern, Standorte zu sichern und marktkonforme Preise anzubieten“.

    Dass Ionity zum 1. Februar 2020 einen Endkundenpreis von 79 Cent pro kWh veröffentlicht hat, lässt zwar keinen direkten Rückschluss auf die Roamingtarife zwischen dem Joint Venture und anderen Anbietern wie EnBW oder Maingau Energie zu, ist jedoch ein starker Hinweis. Hierzu sagt Lars Walch von der EnBW: „Wir stehen zu Kundenorientierung und dem freien Markt. Aus unserer Sicht sind 79 Cent pro Kilowattstunden die falsche Botschaft.“

    Gegenseitige Abhängigkeit
    Meistens besteht zwischen CPO und EMP eine gegenseitige Abhängigkeit, und außerdem befinden sich viele Unternehmen wie beschrieben in einer Doppelrolle. Der Markt ist jung, und er ist in einer Entwicklung, die an die Frühphase der Mobilfunktelefonie erinnert. Der natürliche Konflikt bei den Verhandlungen um die B2B-Roamingtarife erreicht jetzt aber den Endkunden, der plötzlich vor einer stromlosen Ladesäule steht und im besten Fall irgendeine Ersatzkarte mit sich trägt, mit der er die elektrische Energie doch freischalten kann.

    Vorbild Tesla
    Die simpelste Lösung und das Vorbild für die Nutzerfreundlichkeit bleiben vorerst die Supercharger von Tesla. Das US-amerikanische Unternehmen hat in das Schnell-Ladenetzwerk investiert und betreibt es faktisch proprietär. Inzwischen verlangt Tesla von Neukunden auch Geld für den Strom; wie viel genau, erfahren die Elektroautofahrer nachvollziehbar im Zentraldisplay. Dass Tesla von Beginn an mit einer automatischen Identifikation für die Freischaltung des Stroms arbeitet, ist bis heute unerreicht – dabei sollte das der Mindeststandard sein. Es ist unverständlich, dass die anderen Autohersteller nicht stärker und härter mit den Ladeinfrastrukturanbietern zusammenarbeiten, um eine flächendeckende Plug & Charge-Lösung nach ISO 15118 zu implementieren.

    Das aber ist aktuell das kleinste Problem. Leider hat sich nach dem Ende des Ladekartenwirrwarrs sowie dem Ersatz der unterschiedlichen Abrechnungsmodelle durch kWh-basierte Tarife ein neues Chaos aufgetan. Das Fahren mit dem Elektroauto funktioniert wunderbar, wenn zu Hause geladen wird und Touren im Aktionsradius der jeweiligen Batterie unternommen werden. Auf langen Strecken und den dafür notwendigen Gleichstrom-Schnellladesäulen ist es jedoch schlicht unkomfortabel, sich mit dem Streit der Infrastrukturanbieter befassen zu müssen. Der Ruf der Elektromobilität ist dadurch einmal mehr lädiert – und Tesla ist weiterhin die Ausnahme von dieser Regel.

    Quelle: Stresstest für E-Autos: Roamingkonflikt in der Ladeinfrastruktur | heise Autos
  • Hier fehlt noch etwas sehr Wichtiges: Es ist an allen Ladesäulen vor dem Laden nicht ersichtlich, welcher Preis dem Endkunden verrechnet wird (Ausnahme Tesla). Wann kommt die Vorschrift zur Preisauszeichnung, wie sie zB. bei Tankstellen vorgeschrieben ist? Weiterhin, warum ist es nicht möglich einfach mit Scheckkarte/Kreditkarte vor Ort EU weit zu zahlen, anstelle dieser idiotischen Ladekarten? Man stelle sich nur vor, beim Tanken müsste man auch zwingend eine Kundenkarte haben und dürfte dann nur an bestimmten Tankstellen tanken.....oder ich erfahre erst nach dem Tanken, welchen Literpreis ich zu zahlen habe.