SPD-Chef Norbert Walter-Borjans hat das vergangene Woche von der Bundesregierung beschlossene Konjunkturpaket gegen Kritik aus der Autobranche verteidigt. Es könne nicht sein, "dass diejenigen, die lange Zeit falsch gehandelt haben - die Autobosse –, heute nicht nur sagen, ob wir zu helfen haben, sondern, wie wir das zu tun haben", sagte der SPD-Chef in der ARD.
Die Branche habe lange Zeit große Gewinne gemacht. Jetzt, da Geld der Steuerzahler eingesetzt werde, gehe es um einen "Wandel in die richtige Richtung. Und die muss heißen: Wir müssen in Richtung E-Mobilität", sagte Walter-Borjans in der Sendung "Bericht aus Berlin" am Sonntag.
Zuvor sei mit Vertretern der Industrie gesprochen worden, sagte Walter-Borjans. Das Konjunkturpaket enthalte vieles, wovon diese profitieren würden: veränderte Abschreibungsregeln, steuerliche Regelungen oder Milliarden-Investitionen in Forschung.
Doppelt und nichts
Die Kritik aus der Autoindustrie, aber auch von Gewerkschaftern entzündet sich vor allem daran, dass es für Pkw mit Verbrennermotor keine Kaufprämie geben soll, für solche mit Elektroantrieb wird sie hingegen verdoppelt. Dies hatten Sozialdemokraten gegen den Widerstand weiter Teile von CDU und CSU durchgesetzt.
Walter-Borjans' Mit-SPD-Vorsitzende Saskia Esken wollte im Bayerischen Rundfunk am Montag nicht bestätigen, dass der Vorschlag, nur umweltverträgliche Autos zu fördern, persönlich von ihr stamme. Das entspreche der Haltung der Partei und der SPD-Fraktion in Bundestag, sagte sie.
Esken stellte die Wirksamkeit von Auto-Kaufprämien allgemein in Frage und verwies dabei auf den geringen Einfluss der Abwrackprämie, die nach der Finanzkrise 2008/2009 beschlossen wurde. Derzeit würden die Menschen ohnehin eher über anderes nachdenken als über die Anschaffung eines neuen Autos. Esken betonte aber, der Branche helfen zu wollen. Nur müsse dies zukunftsweisend geschehen. Dabei wies sie Kritik des ehemaligen SPD-Chefs Sigmar Gabriel zurück, der seiner Partei populistische Ablehnung von Fördermitteln für die Autoindustrie" vorgeworfen hatte.
Gewerkschafter stinksauer
Daimler-Gesamtbetriebsratschef Michael Brecht meinte laut dpa, er selbst und auch seine Kollegen aus der Auto- und Zulieferindustrie seien "stinksauer". "Die SPD-Spitze hat es nicht verstanden."
"Es rollt eine Rationalisierungswelle auf die deutsche Autoindustrie zu, die massiv an die Arbeitsplätze herangeht", sagte Brecht. Die Branche habe in Wachstum investiert, nun drohten Überkapazitäten, die nicht drei oder vier Jahre lang überbrückt werden könnten. Warum ausgerechnet die SPD-Spitze das nicht verstanden und sich vehement gegen eine Kaufprämie für schadstoffarme Benzin- und Dieselfahrzeuge im Konjunkturpaket gesperrt habe, verstehe er nicht. Die Parteispitze habe auch nicht den Dialog mit den Betriebsräten gesucht.
"Steuerzahler soll für ausgefallene Boni herhalten"
Walter-Borjans blieb am Samstag in der Augsburger Allgemeinen standhaft gegen die Vorwürfe von IG Metall und Betriebsräten. Die Autokonzerne forderten, "dass der Steuerzahler als Ausfallbürge bei Boni für Bosse und Dividenden für Aktionäre herhalten soll". Es könne nicht sein, "dass eine Branche dem Staat diktiert, auf welche Weise die Förderung zu erfolgen hat". Die Konzerne wollten die Sorgen der Mitarbeiter für ihre Zwecke nutzen.
Auf die Frage, ob die SPD ihr Herz für die Beschäftigten verloren habe, sagte Walter-Borjans: "Ganz im Gegenteil. Wir wollen, dass die Autoindustrie noch stärker auf die Arbeitsplatzsicherung der Zukunft setzt. Da haben die Konzerne viel vernachlässigt, etwa was die Entwicklung von klimafreundlichen Elektroautos betrifft."
Grün-rot-schwarzer Schulterschluss
Die großen deutschen Hersteller und auch die drei "Autoländer" das von den Grünen regierte Baden-Württemberg, CSU-Bayern und SPD-Niedersachsen hatten sich dafür ausgesprochen, auch den Kauf von Autos mit reinem Verbrennungsmotor zu bezuschussen, um die Konjunktur anzukurbeln. Vor allem die SPD war strikt dagegen, aber auch aus der Union gab es kritische Stimmen.
IG-Metall-Chef Jörg Hofmann hatte die SPD daraufhin kritisiert. "Hier herrscht Enttäuschung, dass nicht industriepolitische Verantwortung, sondern die Demoskopie das Handeln der SPD-Spitze bestimmt hat", sagte er. Das führe zu einem massiven Vertrauensverlust der Beschäftigten der Autoindustrie und angrenzender Branchen gegenüber der Sozialdemokratie.
"Millionen von Arbeitsplätzen gefährdet"
MAN-Konzernbetriebsratschef Saki Stimoniaris legte am Freitag nach: "Die Parteispitze der SPD sollte sich hinterfragen. Vertritt sie tatsächlich noch die Interessen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer?", sagte der Betriebsratschef des zum VW-Konzern gehörenden Lastwagenherstellers. Mit so einer Haltung gefährde man Millionen von Arbeitsplätzen. "Wir haben Angst um unsere Arbeitsplätze und unsere Zukunft", sagte Stimoniaris.
95 Prozent der Beschäftigten in der deutschen Autoindustrie arbeiteten an Fahrzeugen mit konventionellen Antrieben, sagte Daimler-Betriebsrat Brecht. Es gebe nur begrenzte Kapazitäten für Elektroautos, auch der Absatz sei bisher nicht sonderlich hoch. "Das hat man alles ignoriert", sagte Brecht. "Wenn man meint, man kann weiterhin die Kurzarbeit finanzieren, dann ist das auch eine Variante", kritisierte er. "Aber wir wollen die Kurzarbeit nicht."
Die eingebrochene Nachfrage nach Benzinern und Dieselautos soll nun mit der niedrigeren Mehrwertsteuer angekurbelt werden. Beschlossen wurden im Konjunkturpaket zudem höhere Prämien für Elektroautos.
Quelle: Keine Auto-Kaufprämie für Verbrenner: Gewerkschafter "stinksauer" | heise online