Vernetzte Register: Seehofer macht Ernst mit Steuer-ID als Bürgernummer

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    • Vernetzte Register: Seehofer macht Ernst mit Steuer-ID als Bürgernummer

      Das Innenministerium hat einen Gesetzentwurf für ein registerübergreifendes Identitätsmanagement erstellt, mit dem die Steuernummer zur Personenkennziffer wird.
      Auf Eckpunkte für einen virtuellen Zusammenschluss der Melderegister und zahlreicher anderer behördlicher Datenbanken hatte sich die große Koalition jüngst bereits geeinigt, nun hat das Bundesinnenministerium einen Referentenentwurf zur "Einführung einer Identifikationsnummer in die öffentliche Verwaltung" vorgelegt. Ressortchef Horst Seehofer (CSU) bleibt demnach bei dem Vorhaben, die Steuer-ID zu einer allgemeine Bürgernummer für alle möglichen Ämter zu erweitern.

      Kommen soll laut dem Papier mit Stand Ende Juli, das Netzpolitik.org veröffentlicht hat, eine Identifikationsnummer, um die mit dem Onlinezugangsgesetz (OZG) vorgesehenen E-Government-Dienste mithilfe der relevanten Verwaltungsregister von Bund und Ländern umzusetzen. Die Kennung soll gewährleisten, dass sogenannte Basisdaten natürlicher Personen "von einer dafür verantwortlichen Stelle auf Inkonsistenzen geprüft, verlässlich gepflegt, aktualisiert und bereitgestellt werden".

      Aufsetzen auf Steuer-ID
      Die Registermodernisierung soll über eine übergreifende Suchmaske erfolgen. Um den gewünschten Datensatz anhand grundlegender Informationen wie Name und Anschrift in unterschiedlichen Registern von Bund und Ländern finden zu können, ist eine Personenkennziffer nötig. Dabei will das Ministerium Vorarbeiten der Innenministerkonferenz (IMK) entsprechend "auf die vorhandenen Strukturen der Steuer-Identifikationsnummer" aufsetzen und diese "um die für ein registerübergreifendes Identitätsmanagement notwendigen Elemente" ergänzen.

      Nur eine eindeutige ID, "die in allen Registern gleichermaßen vorliegt", ermögliche eine medienbruchfreie, verwaltungsübergreifende und nutzerfreundliche Kommunikation, begründet das Ministerium das Vorhaben. Ohne ein solches Ordnungskriterium könne der Grundsatz "once only" nicht umgesetzt werden, wonach die Bürger ihre Daten der Verwaltung nur einmal geben müssen. Dies entspreche auch dem Gebot der Datenminimierung. Um zu vermeiden, dass Profile erstellt werden, dürfe die ID selbst keine Rückschlüsse auf andere persönliche Informationen zulassen.

      Als zentrale Relaisstation soll das Bundesverwaltungsamt dienen und dafür zur "Registermodernisierungsbehörde" ausgebaut werden. Es soll beim Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) gespeicherte Daten zur Steuer-ID im automatisierten Verfahren abrufen und im Sinne des OZG an registerführende sowie andere öffentliche Stellen übermitteln dürfen. Der Transfer soll über eine Ende-zu-Ende-Verschlüsselung abgesichert werden.

      Datenschützer soll prüfen
      Bei Datenabrufen prüfe die als "dritte Stelle" zwischengeschaltete Behörde automatisiert bei jedem Aufbau einer Verbindung anhand sicherer Authentifizierungsverfahren die Identität des abrufenden Amts, über die "kein Zweifel bestehen" dürfe. Näheres zum technischen Verfahren soll das Innenministerium per Verordnung festlegen können. Der Bundesdatenschutzbeauftragte soll die Behörde regelmäßig überprüfen können, das Gesetz nach drei Jahren mithilfe auch von "wissenschaftlichem Sachverstand" durch das Innenressort evaluiert werden.

      Virtuell verknüpft werden sollen so unter anderem Melderegister, das Ausländerzentralregister sowie Datenbanken etwa für Führerschein-, Waffen- oder eID-Kartenbesitzer. Dazu kämen etwa auch das Schuldner- und Anwaltsverzeichnis sowie Register für Wohngeld- und Bafög-Empfänger. Die vorgesehenen Basisdaten umfassen Informationen wie Namen, Geburtsort und -datum, Geschlecht, Anschriften, Tag des Ein- oder Auszugs sowie Staatsangehörigkeiten. Auch eine mögliche Auskunftssperre für besonders schützenswerte Personen soll vermerkt werden. Große Unterschiede zu den derzeit über Melderegister abrufbaren Merkmalen gibt es demnach nicht.

      Aktuelle Basisdaten zu natürlichen Personen seien ein zentrales Anliegen, wirbt das Ministerium für die Initiative. Werde die Verwaltung digitalisiert, müsse im Interesse aller Beteiligten gewährleistet sein, dass Personenverwechslungen ausgeschlossen und vorhandene Datenbestände den Bürgern fehlerfrei zugeordnet werden könnten. Für die Transparenz gegenüber den Bürgern soll ein "Datencockpit" sorgen, das eine "einfache, transparente und zeitnahe Wahrnehmung der Betroffenenrechte" nach der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) ermögliche.

      Eingriff in die Selbstbestimmung
      Für Datenschützer ist ein allgemeines Personenkennzeichen ein rotes Tuch. Sie bemängeln seit Langem, dass die Steuer-ID entgegen der ursprünglichen politischen Beteuerungen zunehmend in den verschiedensten Lebensbereichen verwendet werde. Der Bundesdatenschutzbeauftragte Ulrich Kelber lehnt den vorgesehenen Ansatz auch aus verfassungsrechtlichen Gründen ab. Es bestehe die Gefahr einer "vollständigen Registrierung und Katalogisierung der Persönlichkeit". Der Normenkontrollrat hatte in seiner Blaupause zur Registermodernisierung 2017 auf eine datenschutzfreundlichere Variante nach dem Vorbild Österreichs verwiesen.

      Das Innenministerium räumt zwar ein, dass es um einen "Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung" der Bürger gehe. Dieser sei aber "insgesamt verfassungsrechtlich gerechtfertigt, weil in der registerunterstützten und datenbankbasierten Verwaltung ein hohes Bedürfnis für eine eineindeutige Zuordnung von Datensätzen zu der jeweils richtigen Person besteht". Die einmaligen Kosten für den Aufbau einer vernetzten Registerstruktur schätzt das Haus von Seehofer auf etwa 915,7 Millionen Euro.

      Quelle: Vernetzte Register: Seehofer macht Ernst mit Steuer-ID als Bürgernummer | heise online
    • Datenschützer: Steuer-ID als Bürgernummer ist verfassungswidrig

      Die Datenschutzbeauftragten von Bund und Ländern sind gegen den Plan des Innenministeriums, die Steuer-ID als Personenkennzeichen fürs E-Government zu nutzen.

      Mit Nachdruck warnt die Konferenz der Datenschutzaufsichtsbehörden des Bundes und der Länder (DSK) die Bundesregierung davor, die Steuer-Identifikationsnummer als Personenkennziffer für die geplante Registermodernisierung zu verwenden. Das Vorhaben stehe "im Widerspruch zu verfassungsrechtlichen Regelungen", betont das Gremium. Die Bundesregierung müsse einen Entwurf vorlegen, der einer drohenden Verfassungsbeschwerde Stand halte.

      Verfassungsrechtliche Schranken missachtet
      Über 50 Datenbanken inklusive der Melderegister sollen laut dem Gesetzentwurf des Bundesinnenministeriums über die Steuer-ID virtuell verknüpft werden. Damit löse sich die Nummer von ihrer "ursprünglichen Zweckbestimmung für rein steuerliche Sachverhalte, obwohl sie nur deswegen bislang als verfassungskonform angesehen werden kann", warnt die DSK in einer am Freitag veröffentlichten Entschließung. Das Bundesverfassungsgericht habe der Einführung solcher Personenkennzeichen "seit jeher enge Schranken auferlegt, die hier missachtet werden".

      Mit dem Gesetzesvorstoß des Innenressorts könnten Informationen etwa aus dem Melderegister mit solchen aus dem Versichertenverzeichnis der Krankenkassen sowie dem Register für ergänzende Hilfe zum Lebensunterhalt oder dem Schuldnerverzeichnis abgeglichen "und zu einem Persönlichkeitsprofil zusammengefasst werden", warnen die Datenschützer. Die in dem Entwurf vorgesehenen technischen und organisatorischen Schutzvorkehrungen reichten nicht aus, um zu verhindern, dass staatlicherseits missbräuchlich Daten zu einer Person zusammengeführt würden.

      Alternative sektorspezifische Personenkennziffern
      Die DSK rechnet ferner damit, dass das neue Kennzeichen "auch im Wirtschaftsleben weite Verbreitung finden wird, was das Missbrauchsrisiko weiter erhöht". Man habe stattdessen "sektorspezifische" Personenkennziffern gefordert. Diese seien "datenschutzgerecht und zugleich praxisgeeignet", da sie einen einseitigen staatlichen Abgleich deutlich erschwerten und trotzdem zur Identifizierung taugten. Trotzdem habe sie die Bundesregierung "nie ernsthaft erwogen" und pauschal als zu komplex abgelehnt. Der Bundesdatenschutzbeauftragte Ulrich Kelber hofft aber noch, "dass uns nicht wieder erst das Bundesverfassungsgericht vor einem zu neugierigen Staat schützen muss".

      Quelle: Datenschützer: Steuer-ID als Bürgernummer ist verfassungswidrig | heise online
    • Bundestagsgutachten: Schwere Bedenken gegen Steuer-ID als Bürgernummer

      Der Wissenschaftliche Dienst des Parlaments warnt vor "erheblichen" verfassungsrechtlichen Schwierigkeiten bei der geplanten Registermodernisierung.

      Der Wissenschaftliche Dienst des Bundestags hat verfassungsrechtliche Einwände gegen den Referentenentwurf des Bundesinnenministerium zur Registermodernisierung. Er stört sich daran, dass damit die Steuer-Identifikationsnummer als Personenkennziffer genutzt werden soll.

      Der vorgesehene Einsatz der Steuer-ID als allgemeines oder bereichsübergreifendes Personenkennzeichen in 51 Datenbanken inklusive der Melderegister "birgt erhebliche Schwierigkeiten", heißt es in dem Gutachten für die Bundestagsfraktion der Grünen . Ein konkreter Personenbezug der damit einfach verknüpfbaren Informationen könne die Sozial-, die Privat- und sogar die Intimsphäre betreffen. Zweckänderungen könnten einfach vorgenommen werden. Zudem sei es fraglich, ob der technische Schutz ausreichte.

      Zwar würde nicht direkt ein "unzulässiges allumfassendes 'Superregister'" entstehen. Problematisch sei aber, dass der Entwurf keine ausdrückliche Vorgabe enthalte, wonach keine Persönlichkeitsprofile angelegt werden dürften. Die Steuer-ID in allen angeschlossenen Registern zu speichern erhöhe vielmehr die Möglichkeit und Gefahr einer – unbefugten – Profilbildung durch das Nachverfolgen persönlicher Datenspuren in Form von "Tracing".

      "Erhebliche Gefahrenpotenziale"
      Auch mit Technik könnten die "erheblichen Gefahrenpotenziale" wie zum Beispiel Datenmissbrauch nicht restlos beseitigt werden. Da die Steuer-ID künftig auch an alle Bürger vergeben werden solle, wären sehr viele Personen betroffen. Das Bundesverfassungsgericht habe bereits 1983 im Volkszählungsurteil ausgeführt, dass durch ein einheitliches Personenkennzeichen nicht die bei den Verwaltungsbehörden vorhandenen, zum Teil sehr sensitiven Datenbestände unbeschränkt verknüpft werden dürften.

      Zuvor hatte unter anderem die Konferenz der Datenschutzaufsichtsbehörden des Bundes und der Länder die Bundesregierung davor gewarnt, die Register über die Steuer-ID virtuell zu verknüpfen. "Sektorspezifische" Personenkennziffern, wie sie Österreich eingeführt habe, seien dagegen "datenschutzgerecht und zugleich praxisgeeignet". Für ihre Vorarbeiten hatte die Innenministerkonferenz von Bund und Ländern am Freitag einen Big Brother Award verliehen bekommen.

      Das Innenministerium will am Dienstag über das weitere Vorgehen informieren. Offenbar soll so das Bundeskabinett am Mittwoch den Regierungsentwurf auf den Weg bringen. Der grüne Fraktionsvize Konstantin von Notz hofft noch auf ein Einsehen: " Wenn die Bundesregierung in derart zentralen digitalpolitischen Fragen weiterhin statt auf 'Security by Design' lieber auf die Devise 'Augen zu und durch' setzt, riskiert sie nicht nur eine weitere Niederlage vor dem Bundesverfassungsgericht, sondern auch den Erfolg des E-Government-Projekts."

      Quelle: Bundestagsgutachten: Schwere Bedenken gegen Steuer-ID als Bürgernummer | heise online
    • Vernetzte Register: Kelber warnt vor Vabanque-Spiel mit der Steuer-ID

      Der Bundesdatenschutzbeauftragte sieht die Regierung mit ihrem Plan, die Steuer-ID als Personenkennziffer etwa im Meldewesen einzuführen, auf sehr dünnem Eis.

      Die Politik ist dabei, ihr "hochheiliges Versprechen" zu brechen, dass die umstrittene Steuer-Identifikationsnummer nur für den Steuerbereich verwendet wird. Diese Kritik übte der Bundesdatenschutzbeauftragte Ulrich Kelber am Dienstag bei einer Online-Diskussion des "Behörden-Spiegel" zur geplanten Registermodernisierung.

      Auf sehr dünnem Eis
      Sollte die schwarz-rote Koalition die Initiative der Bundesregierung mittragen, die Steuer-ID künftig als übergreifendes "Ordnungsmerkmal" und Personenkennzeichen in gut 50 besonders relevanten Datenbanken von Bund und Ländern inklusive der Fahrzeug- und Melderegister zu nutzen, begäbe sie sich damit laut dem SPD-Politiker "rechtlich auf sehr, sehr dünnes Eis". Das Bundesverfassungsgericht habe seine 1983 mit dem Volkszählungsurteil begonnene Rechtsprechung gegen ein allgemeines Personenmerkmal "immer wieder bestätigt und sogar teilweise noch verschärft".

      Die Zahl der Verwaltungsdaten sei seit den Achtzigern "immens angewachsen", erläuterte Kelber seine Bedenken. Alle Datenschutzbehörden von Bund und Ländern hätten daher jüngst sehr eindeutig gesagt, dass sie den Einsatz eines bereichsübergreifendes Kennzeichens für verfassungswidrig halten. Die Exekutive habe sich nicht einmal die Mühe gemacht, "alle möglichen Alternativen gleichrangig zu untersuchen".

      Beispiel Österreich
      Der Kontrolleur verwies in dieser Hinsicht auf die in Österreich eingeführte bereichsspezifische Kennziffern, die aufeinander gemappt werden könnten "mit einem sicheren, datenschutzfreundlichem System" mit geringer Nachvollziehbarkeit. Dieses könnte hierzulande "noch wesentlich effizienter" verwendet werden. Wenn es "eine solche mildere Methode gibt, ist der Staat dazu gezwungen, sie zu wählen". Dass die Regierung trotzdem sehenden Auges eine weitere Schlappe in Karlsruhe riskiert, ist für Kelber unverständlich. Sie betreibe hier ein Vabanque-Spiel, mit dem sie auch das ganze System der Verwaltungsdigitalisierung über das Online-Zugangsgesetz (OZG) gefährde.

      Die Exekutive sieht die vorgesehene Registermodernisierung als wichtige Komponente, um das OZG umzusetzen "Wesentliche Voraussetzung" dafür sei, dass Daten und Nachweise elektronisch übermittelt werden könnten. Dies solle am besten nicht immer wieder neu geschehen, sondern im Einklang mit EU-Vorgaben "once only". Dafür müssten die Bürger im E-Government eindeutig identifiziert werden können. Dieses Standbein könnte Kelber zufolge vor dem Verfassungsgericht wegbrechen.

      "technischer Identifier"
      "Wir müssen die Register miteinander vernetzen" und den Zugriff darauf "nach Recht und Gesetz regeln", betonte Ernst Bürger, Leiter der Abteilung Digitale Verwaltung im Bundesinnenministerium. Hier reflexartig nur eine Datenschutzdebatte zu führen und den Nutzen für die Bürger außen vor zu lassen, sei kontraproduktiv.

      Ein zentrales Bundesmelderegister habe das Ressort rasch verworfen und sich für eine "minimal-invasive" Lösung entschieden. "Das Steuerregister hat schon einen vergleichsweise hohen Standard", erklärte der Beamte. Die zugehörige ID solle nun als "technischer Identifier" fungieren und um Attributsdaten ergänzt werden. Der Zugriff darauf erfolge in einem abgestuften Verfahren. Die Betroffenen müssten dazu außerdem ihre Einwilligung für einzelne Serviceleistungen geben, was in Fachgesetzen geregelt werden solle. Es würden also nicht alle Informationen über eine Person zusammengeführt: "Die Identifizierung läuft wie bisher, aber Daten und Register können im Hintergrund über die Steuer-ID angepasst werden."

      Keine Zweifel
      "Unsere exzellenten Verfassungsjuristen" sowie die aus dem Justizministerium hätten den Ansatz geprüft und für gut befunden, stellte Bürger klar. Selbst ein Nein aus Karlsruhe wäre aber "kein Totalschaden", da die OZG-Umsetzung abgestuft über einen längeren Zeitraum laufe und die Option, alle Nachweise für eine Verwaltungsdienstleistung über das "Once only"-Prinzip digital quasi automatisch erbringen zu können, nicht bis 2022 erforderlich sei.

      Das österreichische Modell habe sich zudem international nicht durchgesetzt und "selbst Experten von dort raten uns ab", meinte der Insider. Dafür brauche man eine zentrale Abgleichstelle, die es in Deutschland bislang nicht gebe. Länder und Kommunen seien in der Alpenrepublik auch nicht ausreichend angebunden. 21 europäische Staaten hätten zudem schon eine zentrale Kennziffer.

      Zu gefährlich
      Tatsächlich sei nicht die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) das Problem, sondern "die eigene Verfassung", verwies Kelber auf das Grundgesetz. Die "baltische Variante" zur Registervernetzung wäre damit etwa nicht vereinbar. Dazu komme, dass die Regierung vorgesehene Mauern gegen das Anlegen von Datenprofilen nur auf einzelne Sektoren anwenden wolle. Der Bereich "Soziales" solle zudem von der Rente über die Krankenversicherung bis zur Jugendhilfe reichen, was "viel zu groß" sei.

      Ein übergreifendes Identitätsmanagement sei überfällig, die Steuer-ID dafür aber "nicht der richtige Weg", unterstützte Christoph Sorge, Inhaber des Lehrstuhls für Recht und Informatik an der Uni des Saarlands, den Datenschützer. Die österreichische Lösung wäre auch nicht zu aufwändig, sondern "einfach und schnell machbar". Die Steuer-ID sei dagegen eine Nummer, über die etwa auch Hacker bei einem erfolgreichen Angriff illegal Register oder Informationen von damit hantierenden Banken, Arbeitgebern und Krankenversicherungen zusammenführen könnten.

      Wenn die Registermodernisierung kippe, habe dies unmittelbare Auswirkungen auf die OZG-Standfestigkeit, gab auch Nicolas Sonder vom Beratungshaus PricewaterhouseCoopers (PWC) Kelber Recht. Beim Absichern der vorgesehenen Bereiche sei er zwar nicht so skeptisch, aber letztlich gehe es um die informationelle Selbstbestimmung. Er halte es daher nicht für ausgeschlossen, dass sich die Verfassungsrichter hier bei einer Beschwerde als Korrektiv betätigen würden.

      Quelle: Vernetzte Register: Kelber warnt vor Vabanque-Spiel mit der Steuer-ID | heise online
    • Vernetzte Register: Bundesrat sieht Nutzbarkeit der Steuer-ID gefährdet

      Die Länder haben verfassungsrechtliche Bedenken gegen den Plan der Bundesregierung, die Steuer-ID als übergreifendes Personenkennzeichen zu verwenden.

      Auch der Bundesrat kritisiert die Initiative der Bundesregierung, die an sich bereits umstrittene Steuer-Identifikationsnummer künftig als übergreifende Bürgerkennziffer für die Registermodernisierung einzusetzen. Mit dem Vorhaben sieht die Länderkammer die Nutzbarkeit der Steuer-ID insgesamt gefährdet, "verbunden mit erheblichen negativen Auswirkungen auf das Besteuerungsverfahren".

      Verfassungsmäßigkeit in Gefahr
      In einer am Freitag beschlossenen Stellungnahme betont der Bundesrat, dass der Einsatz der Steuer-ID "innerhalb der Finanzverwaltung aufgrund der bisherigen bereichs- und nutzungsspezifischen Ausgestaltung und damit Beschränkung mit dem Grundgesetz vereinbar ist". Mit der vorgesehenen "Erweiterung des Nutzungszwecks" auf rund 50 Datenbanken inklusive der Fahrzeug- und Melderegister könnte die Zulässigkeit des Einsatzes aber "aufgrund der weiten Geltung gefährdet sein"

      Sollte der Entwurf für ein Identifikationsnummerngesetz (IDNrG) in Kraft treten, besteht laut der Länderkammer die Gefahr, "dass aus dem bisher zulässigen bereichsspezifischen Datum ein verfassungsrechtlich unzulässiges allgemeines Datum wird". Diese etwa auch vom Wissenschaftlichen Dienst des Bundestags aufgeworfenen verfassungsrechtlichen Bedenken "sollten im Hinblick auf Missbrauchsrisiken und Gefahren von Datenlecks bei der Verwendung sektorübergreifender Personenkennzeichen geprüft und gegebenenfalls durch geeignete Mittel behoben werden".

      Die Länderchefs folgten so einer Empfehlung ihrer Finanzexperten. Der Wirtschaftsausschuss hatte dagegen dafür plädiert, den Einsatz der Steuer-ID als zentrale Bürgernummer für geeignet zu erklären.

      Kosten möglicherweise höher als gedacht
      Der Bundesrat weist zudem darauf hin, dass der Bund mit dem Gesetzentwurf den Ländern einerseits detaillierte Vorgaben macht, die bei ihnen einen immens hohen einmaligen Erfüllungsaufwand von fast 900 Millionen Euro nur "für die erstmalige Implementierung" hervorriefen. Ob dieser Betrag letztlich die anfallenden Kosten vollständig abbilde, erscheine fraglich und bleibe abzuwarten. Ferner seien weitere dauerhafte Ausgaben nötig.

      Der Bund profitiere aber in erheblichem Umfang von der Registervernetzung, heißt es in der Eingabe: "Die Umsetzung seiner Digitalisierungsvorhaben wird ihm massiv erleichtert." Als Ausgleich fordert die Länderkammer daher 879,9 Millionen Euro aus der Umsatzsteuerverteilung zugunsten der Länder. Im weiteren Gesetzgebungsverfahren sollte ferner der bei den Kommunen entstehende Mehraufwand berücksichtigt und "auskömmlich" gedeckt werden.

      Die Länder monieren auch, dass nur die Identifikation von natürlichen Personen geregelt werden soll. Personengesellschaften, juristische Personen und sonstige Organisationen blieben außen vor. Das Onlinezugangsgesetz (OZG) zur Verwaltungsdigitalisierung und EU-Vorschriften erforderten aber auch für diese "schnellstmöglich klare Rahmenbedingungen für den Datenverkehr".

      Justizministerium soll beteiligt werden
      Entsprechende Besonderheiten des Fachrechts müssten bei der Harmonisierung der Datenbestände in den angeschlossenen Registern ebenfalls berücksichtigt werden, gibt der Bundesrat dem Gesetzgeber mit auf den Weg. Die skizzierte bedingungslose Ersetzung der Registerdaten durch die Daten des Bundeszentralamts für Steuern könnte den Bestand der Register "in Teilen unbrauchbar machen".

      Die Befugnis, Validitätswerte von Daten im Melderegister zu erheben und zu übermitteln, sei zu streichen, verlangt die Kammer. Dies sei für ein registerübergreifendes Identitätsmanagement im Sinne des OZG nicht erforderlich. Informationen über eine Auskunftssperre dürften nur nach Maßgabe der Schutzvorschriften des Bundesmeldegesetzes preisgegeben werden. Um Datenaustauschstandards festzulegen, müsse neben dem Bundesfinanzministerium auch das Justizressort beteiligt werden.

      Eine Gefahr für die Digitalisierung
      Bei geplanten Rechtsverordnungen, mit denen die Bundesregierung etwa technische Details festlegen können soll, drängen die Länder auf mehr Mitspracherechte. Der pauschale Ausschluss abweichenden Landesrechts im gesamten Anwendungsbereich des IDNrG sei zu weitgehend. Durch einfaches Bundesrecht könne die Kompetenzordnung des Grundgesetzes nicht ausgehebelt werden. Dieses Vorhaben sei klar als verfassungswidrig einzustufen. Betroffen seien vor allem das aufgeführte Liegenschaftskataster sowie Bestimmungen in den Vermessungs- und Katastergesetzen, für die der Bund keine Kompetenz habe.

      Zuvor hatte unter anderem die Datenschutzkonferenz von Bund und Ländern die Bundesregierung davor gewarnt, die Register über die Steuer-ID virtuell zu verknüpfen. "Sektorspezifische" Personenkennziffern, wie sie Österreich eingeführt habe, seien das mildere Mittel. Der Bundesdatenschutzbeauftragte Ulrich Kelber bezeichnete das Vorhaben der Exekutive in dieser Woche als Vabanque-Spiel, das die Verwaltungsdigitalisierung gefährde.

      Quelle: Vernetzte Register: Bundesrat sieht Nutzbarkeit der Steuer-ID gefährdet | heise online
    • Debatte zur Steuer-ID: Informationelle Selbstbestimmung ist so 1983

      Marc Henrichmann (CDU) hat die Registermodernisierung mit der Steuer-ID verteidigt. Zur Zeit des Volkzählungsurteils habe es das Netz noch nicht gegeben.

      Abgeordnete der Regierungsfraktionen von CDU/CSU und SPD ließen sich am Donnerstagabend bei der 1. Lesung des umstrittenen Regierungsentwurfs für ein Gesetz zur Registermodernisierung im Bundestag von scharfer Kritik aus der Opposition nicht aus der Fassung bringen. "Was dahintersteckt, ist das, was wir alle wollen: die Digitalisierung der Verwaltung", betonte Marc Henrichmann (CDU). Bürger und Wirtschaft würden damit entlastet, da Daten über sie "nicht immer und immer wieder neu zusammengesucht und übertragen" werden müssten.

      Um das "Once only"-Prinzip umzusetzen, drängt sich laut Henrichmann die "bekannte Steuer-ID" als übergreifendes Merkmal nahezu auf. Die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) sehe es vor, eine solche Kennziffer zu verwenden. Dass die Gegner nun die verfassungsrechtliche Rechtsprechung heranzögen, "warum das Ganze nicht funktionieren soll", erschließe sich ihm nicht.

      Hinkende Vergleiche
      "Ich möchte deutlich darauf hinweisen", unterstrich der Christdemokrat, dass das in diesem Zusammenhang viel zitierte Volkzählungsurteil und das darin verankerte Recht auf informationelle Selbstbestimmung "von 1983" sei. Zu dieser Zeit habe es "weder Internet noch sonst irgendwelche Technik" gegeben, meinte der 44-Jährige. Vergleiche mit diesem Sachverhalt hinkten daher deutlich.

      Wenn 21 Staaten in der EU das Prinzip einer Bürgernummer bereits hätten und es dort funktioniere, gehe ihm nicht in den Kopf, warum es in Deutschland andere Standards geben solle, legte Henrichmann dar. Österreich, das statt einer zentralen Kennung eine bereichsspezifische Nummer eingeführt hat, tauge zudem nicht als Vorbild. Die Alpenrepublik habe mit einem zentralen Register auf Bundesebene einen "großen Container" geschaffen. "Wir arbeiten dezentral", unterstrich der Jurist. Zudem nehme der Bund die Länder- und Kommunalverwaltungen mit. Das alternative Verfahren würde auch "doppelt so lange dauern". Die Datenschutzbeauftragten müssten daher ihren Standpunkt hinterfragen und die Bremse lösen.

      Der Gang zur Behörde müsse etwa auch übers Mobiltelefon möglich sein, verdeutlichte der parlamentarische Innenstaatssekretär Günter Krings (CDU). Die Geburtsurkunde etwa sollte nur noch einmal vorgelegt werden, die Daten aus anderen Registern dann abgefragt werden. Dafür müssten sie "zweifelsfrei der richtigen Person zugeordnet werden können", was ein "veränderungsfestes Ordnungsmerkmal" erfordere.

      "4-Corner-Modell"
      Die Steuer-ID erfülle die dafür nötigen Anforderungen und könne "ohne Weiteres" erweitert werden, konstatierte der CDU-Politiker. "Eine Profilbildung werden wir dabei weiterhin wirksam ausschließen." Dafür sei das "4-Corner-Modell" vorgesehen. Demnach sollen Daten nicht zwischen Behörden direkt getauscht, sondern über einen Mittelsmann fließen. Krings verdeutlichte: "Digitale Wächter" ließen so nur gesetzlich erlaubte Übertragungen zu.

      Es gebe keinen "Geheimplan der Regierung, einen gläsernen Bürger" zu schaffen, beteuerte Helge Lindh für die SPD. In Richtung AfD monierte er: Es sei "vollkommen daneben, dass Sie von Blockwarten sprechen". Es gehe um Service- und Bürgerfreundlichkeit. Die Steuer-ID sei zwar ursprünglich nicht für diesen Zweck geschaffen worden. Die Koalition werde aber weitere Sicherheitsmechanismen wie auch das vorgesehene Datencockpit einziehen, damit auch der Bundesdatenschutzbeauftragte Ulrich Kelber zufrieden sei.

      Rechtsstaatliche Bankrotterklärung
      "Die verfassungsrechtliche Kritik ist insgesamt vernichtend", gab der Liberale Manuel Höferlin entgegen des FDP-Slogans "Digital first" zu bedenken. Das Bundesverfassungsgericht sei in seiner Aussage im Volkszählungsurteil sehr klar gewesen. Die Steuer-ID dürfe sich nur auf den Steuerbereich beziehen. Der Gedanke einer bereichsspezifischen Nummer aus Österreich sei gut. Jetzt sehenden Auges in eine Verfassungsklage zu steuern, wäre "rechtsstaatlich schon fast eine Bankrotterklärung".

      "Aus dem Volkzählungsurteil ergibt sich, dass der einzelne Bürger nicht mit seiner ganzen Persönlichkeit registriert werden kann", erklärte der Grüne Konstantin von Notz. Die Koalition müsse daher die Kritik ernst nehmen, dass sie mit der Initiative genau dafür die technischen Voraussetzungen schaffe. Stattdessen gelte es, die langfristige Tragfähigkeit des Projekts sicherstellen: "Wenn dieses Gesetz an die Wand kachelt in Karlsruhe vor dem Bundesverfassungsgericht, wie schon so viele andere", bleibe Deutschland abgehängt bei der zwingend notwendigen Modernisierung des Staatswesens.

      Bundesmeldegesetz verabschiedet
      Kurz zuvor hatte der Bundestag mit den Stimmen von CDU/CSU, SPD und FDP die zweite Novelle des Bundesmeldegesetzes verabschiedet. Linke und Grüne waren dagegen, die AfD enthielt sich. Damit soll es den Bürgern künftig möglich sein, ihre Daten aus dem Melderegister über ein Verwaltungsportal abzurufen und für verschiedene Zwecke weiterzunutzen. Um dies nutzerfreundlich bewerkstelligen zu können, haben die Abgeordneten für die benötigten digitalen Prozesse Rechtsänderungen sowie ergänzende Regeln zu Fragen des Authentifizierungsniveaus und der anzuwendenden technischen Standards beschlossen.

      Ferner soll der automatisierte Abruf von Meldedaten besser an die "behördlichen und datenschutzrechtlichen Bedürfnisse" angepasst und so erweitert werden, hatte die Bundesregierung in ihrem Entwurf erklärt. Dazu würden Datenkataloge vereinheitlicht. Zudem werde künftig "zwischen einem Abruf zu einer namentlich bestimmten Person (Personensuche) und einem Abruf einer Vielzahl von Personen, die nicht namentlich bestimmt sind (freie Suche)" unterschieden.

      Mit dem Beschluss werde die An- und Abmeldung von Wohnungen "von zu Hause aus möglich und spürbar vereinfacht", erklärte Henrichmann in seiner hier nur zu Protokoll gegebenen Rede. "Zudem werden alle Datenabrufe protokolliert und sind für die betroffenen Personen einsehbar." Die Linke Ulla Jelpke hielt – ebenfalls schriftlich – dagegen: "Auch dieser Gesetzentwurf enthält eine Reihe datenschutzwidriger Bestimmungen, mit denen die Grundsätze der Datenminimierung und der Datensparsamkeit sowie das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung aufgeweicht werden."

      Quelle: Debatte zur Steuer-ID: Informationelle Selbstbestimmung ist so 1983 | heise online
    • Studie: Registermodernisierung mit zentraler Bürger-ID ist verfassungswidrig

      Gutachter warnen vor dem gläsernen Bürger, wenn die Steuer-ID künftig auch als allgemeine Personenkennziffer behördenübergreifend genutzt werden könnte.

      Der umstrittene Entwurf der Bundesregierung für ein Gesetz zur Registermodernisierung ist verfassungs- und europarechtlich nicht zulässig. Zu diesem Ergebnis kommen die Professoren Christoph Sorge (Saarland), Jörn von Lucke (Friedrichshafen) und Indra Spiecker aus Frankfurt in einem jetzt veröffentlichten Gutachten für die liberale Friedrich-Naumann-Stiftung.

      Gläserner Bürger
      Stein des Anstoßes: Die Regierung will mit der persönlichen Steueridentifikationsnummer eine allgemeine, registerübergreifende und zentralen Personenkennziffer ohne ausreichende Sicherungen schaffen. Diese Bürgernummer müsste damit in 56 besonders relevanten Datenbanken von Bund und Ländern inklusive der Fahrzeug- und Melderegister hinterlegt werden.

      Das Konzept erhöht laut den Forschern massiv die Gefahr, dass der Staat und die öffentliche Verwaltung mithilfe von Informationstechnologien in die Lage versetzt würden, "auf Knopfdruck zu einem Bürger ein umfassendes, detailliertes Profil auf Basis aller oder vieler vorliegender Datenbestände in den vorhandenen Registern von Bund, Ländern und Kommunen zu erstellen". Damit würde ein "gläserner Bürger" Realität.

      Steuer-ID als Bürgernummer
      Ein solches Big-Brother-Szenario müsse angesichts "zunehmender Gesamtüberwachung und weitreichender Ausforschungsmöglichkeiten" verhindert werden, heißt es in der Studie. Der Einzelne könnte damit "weder seine Kontrollfunktion noch seine Freiheitsdimension ausleben".

      Die Registermodernisierung an sich halten die Wissenschaftler für legitim und wünschenswert. Der Einsatz der Steuer-ID als Bürgernummer sei aber schon aufgrund der Möglichkeit, vorgesehene Schutzmechanismen wie das 4-Corner-Modell zu umgehen, äußerst risikoreich.

      Entwertung der Steuer-ID
      Mit jedem allgemeinen Personenkennzeichen – und der damit vereinfachten Möglichkeit der Verbindung verschiedenster beim Staat gespeicherter Datensätze aus allen möglichen Lebens- und Verwaltungsbereichen – wird der Analyse zufolge die Basis "für eine umfassende Registrierung, Profilbildung und Katalogisierung der Persönlichkeit von Bürgern durch den Staat geschaffen". Das Gesetz laufe so große Gefahr, vom Bundesverfassungsgericht verworfen zu werden. Ähnliche Bedenken haben Datenschützer und der Wissenschaftliche Dienst des Bundestags.

      Ferner dürfe die Steuerverwaltung für ihre Verfahren keine allgemeinen Personenkennungen verwenden, arbeiten die Professoren heraus. Ein angenommener Gesetzesentwurf würde damit auch die Grundlagen der Steuererhebung zerstören und besorgniserregende Folgewirkungen auslösen. Insofern sollte das Vorgehen insgesamt überdacht werden. Auch der Bundesrat warnt vor einer solchen Entwertung der Steuer-ID.

      "Ausschnitt eines Bildes aus dem Leben des Bürgers"
      Die Experten haben eine Alternative mit bereichsspezifischen Personenkennzeichen und einigen Optionen entwickelt, mit der sowohl die Anforderungen des geplanten Portalverbundes als auch der Registermodernisierung erfüllt werden könnten. Ihr Ziel sei dabei kein Idealbild, sondern "eine mit überschaubarem Mehraufwand und ohne nennenswerte Eingriffe in die Registerstruktur umsetzbare, gleichzeitig aber datenschutzfreundlichere" Variante.

      Prinzipiell benötigten die Behörden "auch gewisse personenbezogene Daten der Bürger, die sie datenschutzkonform und zweckgerichtet zu verwenden und zur Erfüllung ihrer Zwecke sicher zu bewahren haben", meinen die Gutachter. Die öffentliche Verwaltung sollte daher in der Lage sein, "bei Bedarf einen Ausschnitt eines Bildes aus dem Leben des Bürgers auf Basis der vorliegenden Daten in dem jeweiligen Amt oder Bereich zu generieren".

      Alternativen zur Steuer-ID
      Vorstellbar sei es dabei, in einem separaten, eigenständigen Register jede Personenkennziffer um einen Basisdatensatz zu ergänzen. So ließe sich auch die Datenqualität in den anderen Registern verbessern. Auch ein zentrales Kennzeichen sogar auf Basis der Steuer-ID sei denkbar, solange darüber eben nicht schier beliebig Bestände zusammenführbar seien. Es könnten aber auch ganz neue Identitätsnummern vergeben werden, systematisch oder durch Zufallszahlen generiert. Eine weitere Möglichkeit sei es, auf eine zentrale Identitätsnummer zur Identifizierung zu verzichten.

      Mit einer Hashfunktion ließen sich auf Basis einer Stammzahl neuartige bereichsspezifische Personenkennzahlen generieren, bringen die Forscher ein Beispiel. Die Alternative einer Zufallszahl bestehe auch hier. Mit einer pseudonymisierten und ausschließlich von einem Intermediär nutzbaren ID-Datenbank könnte eine solche Lösung realisiert werden. Sie müsste aber besonders vor Angriffen geschützt werden. Die geplante Registermodernisierung wird am Montag auch in einer öffentlichen Anhörung im Bundestag auf dem Prüfstand stehen.

      Quelle: Studie: Registermodernisierung mit zentraler Bürger-ID ist verfassungswidrig | heise online
    • Vernetzte Register: Bundestag macht die Steuer-ID zur Bürgernummer

      Das Parlament hat die Steuer-ID als übergreifendes "Ordnungsmerkmal" und Personenkennziffer etwa für Melde- und Fahrzeugregister gesetzlich festgeschrieben.

      Nach einer hitzigen Debatte beschloss der Bundestag am Donnerstag einen Gesetzentwurf, mit dem die Steuer-ID als Bürgernummer in die öffentliche Verwaltung eingeführt wird. Die Kennung kann damit künftig als übergreifendes Ordnungsmerkmal und Personenkennzeichen in gut 50 besonders relevanten Datenbanken von Bund und Ländern inklusive der Fahrzeug- und Melderegister genutzt werden. Für die Initiative stimmten die Regierungsfraktionen von CDU/CSU und SPD, die Opposition war geschlossen dagegen.

      Kritik von Bürgerrechtlern
      Die Registermodernisierung soll über eine Art übergreifende Suchmaske erfolgen. Um den gewünschten Datensatz anhand von Basisdaten wie Name und Anschrift in unterschiedlichen staatlichen Verzeichnissen finden zu können, ist eine Personenkennziffer nötig. Die Innenministerkonferenz von Bund und Ländern hatte hier empfohlen, auf die Steuer-ID aufzusetzen und diese "um die für ein registerübergreifendes Identitätsmanagement" nötigen Elemente zu ergänzen. Sie erhielt dafür einen Big Brother Award.

      Die Abgeordneten erachten das Vorhaben als wichtigen Schritt, um das Onlinezugangsgesetz (OZG) umzusetzen und mehr Verwaltungsdienstleistungen zu digitalisieren. Wesentliche Voraussetzung dafür sei, dass Daten und Nachweise elektronisch übermittelt werden könnten. Dies solle nicht immer wieder neu geschehen, sondern im Einklang mit EU-Vorgaben "once only". Dabei müssten Personenverwechslungen ausgeschlossen und die betroffenen Bürger im E-Government eindeutig identifiziert werden können.

      Der Wissenschaftliche Dienst des Bundestags, andere Forscher, Sachverständige bei einer parlamentarischen Anhörung und die Datenschutzbeauftragten von Bund und Ländern brachten massive verfassungsrechtliche Einwände gegen die Initiative vor. Der Bundesrat hält damit die Nutzbarkeit der Steuer-ID insgesamt für gefährdet.

      Weitere Sicherungen nach Kritik
      Die Bundesregierung sah hingegen schon mit ihrem Entwurf das informationelle Selbstbestimmungsrecht gewahrt. Sie verwies auf das "4-Corner-Modell". Demnach sollen Daten nicht zwischen Behörden direkt getauscht, sondern über einen Mittelsmann fließen. Über ein "Datencockpit" werde es zudem für die Bürger nachvollziehbar, welche Behörde wann aus welchem Grund auf welche Informationen zugegriffen habe.

      Schwarz-Rot fügte über einen Änderungsantrag weitere Sicherungen ein. Die Verarbeitung der Identifikationsnummer ist demnach nur "zu Verarbeitungen zur Erbringung von Verwaltungsleistungen" nach dem OZG "auf Grund von Rechtsvorschriften oder mit Einwilligung der betroffenen Person sowie zum Zwecke eines registerbasierten Zensus" zulässig. Der Bundestag soll zudem durch ein formelles Gesetz entscheiden, ob weitere Register die ID verarbeiten dürfen oder die Verarbeitungsbefugnis bei anderen aufzuheben ist.

      Aus der Liste der für eine virtuelle Vernetzung vorgesehenen Datenbanken gestrichen haben die Abgeordneten das Schuldnerverzeichnis, das Insolvenzregister, das Rechtsdienstleisterregister, das Liegenschaftskataster sowie Verzeichnisse der Rechtsanwaltskammern.

      Kein Schutz vor übergreifendem Profil
      Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch eine Verordnung die Anzahl und die Abgrenzung der Sektoren zu bestimmen, in denen Daten zusammengeführt werden dürfen. Dies habe so zu erfolgen, "dass das Risiko, bezogen auf die einzelne Person ein vollständiges Persönlichkeitsprofil durch Datenübermittlungen innerhalb eines Bereichs zu erstellen, wirksam begrenzt wird". Ein übergreifendes Schattenbild wird damit aber nicht ausgeschlossen. Allein der geplante Bereich "Soziales" soll von der Rente über die Krankenversicherung bis zur Jugendhilfe reichen.

      Die einmaligen Umstellungsaufwände der betroffenen Behörden schätzt die Regierung auf "insgesamt bis zu 300 Millionen Euro". Dazu sollen Umsetzungskosten in den ersten vier Jahren von rund 108 Millionen Euro kommen.

      "Wir stellen die Weichen für die bürgerfreundliche Verwaltung", betonte Marc Henrichmann (CDU). Endlich müssten keine langen Formulare mehr ausgefüllt werden, langes Warten auf Amtsstuben habe ein Ende. "Der Datenschutz macht uns kaputt", habe er jüngst erst wieder bei Unternehmergesprächen gehört. Es bringe daher nichts, wie das Kaninchen vor der Schlange zu verharren. Die Standards aus dem Volkszählungsurteil von 1983 gegen Profilbildung seien aus der Zeit gefallen, ergänzte Henrichmanns Parteikollege Philipp Amthor. Er warte entspannt auf ein "Wiedersehen in Karlsruhe".

      "Ich hab's satt"
      "Wir brauchen die vollständige Digitalisierung von Datenbeständen" und den Austausch von Behördeninformationen, meinte Thomas Hitschler (SPD). Durch das Nebeneinander von 220 Registern in Deutschland komme es zu viel zu vielen Datenerhebungen und Verwechslungen. Über die ID habe man lange diskutiert, denn "auch bei uns schlagen bei diesem Thema zwei Herzen in einer Brust". Daher gebe es nun eine klare gesetzliche Begrenzung auf die Zweckbestimmung für Verwaltungsdienstleistungen.

      Die Steuer-ID sollte auch schon nur für Steuerangelegenheiten eingeführt werden, hielt Manuel Höferlin (FDP) dagegen. Solche Zweckbestimmungen seien leicht zu brechen. Der Liberale plädierte für die Nutzung bereichsspezifischer Identifier: "Das einzige, was man mit der Steuer-ID gewinnt, ist Zeit." Unter diesem Druck riskiere die Koalition erneut, vor dem Bundesverfassungsgericht zu enden.

      "Ich hab's satt", platzte der Linken Petra Pau der Kragen: Spätestens seit 2001 beschlössen Mehrheiten im hohen Haus "deutlich grundrechtswidrige Gesetze", die in Karlsruhe wieder kassiert würden. Der Überwachungsrahmen werde trotzdem immer weiter gespannt. Das Bundesverfassungsgericht habe aber den Datenschutz auf Verfassungsrang gehoben, nicht den Datenzugriff.

      Harte Kritik
      "Der Datenschutz schützt die Menschenwürde", hieb Konstantin von Notz in die gleiche Kerbe: Wer so borniert daherrede wie Henrichmann, könne nur verfassungswidrige Gesetze fabrizieren. Diese kachelten in Karlsruhe vor die Wand und IT-Großprojekte scheiterten. Nun baue Schwarz-Rot das wichtige Gesetz erneut auf sandigem Boden. Würde es gestoppt, "haben wir ein Kosten- und Zeitproblem biblischen Ausmaßes". Dies sei ein zu hoher Preis für diese "Huschi-Aktion".

      "Dieses Gesetz ist ein direkter Anschlag auf unsere Grundrechte", wetterte Michael Espendiller (AfD). Der Mensch werde reduziert auf einen Datensatz, die Freiheit sterbe scheibchenweise. Bürgerrechtler der Humanistischen Union befürchten, dass der Mensch mit dem Vorhaben gläsern werde: "Es gibt kein Halten mehr, dass der Staat jederzeit auf alle verfügbaren persönlichen Daten zugreift und sie miteinander verknüpft. Genau dies habe das Bundesverfassungsgericht mit dem Volkszählungsurteil verhindern wollen.

      Quelle: Vernetzte Register: Bundestag macht die Steuer-ID zur Bürgernummer | heise online
    • Gesetz verkündet: Bürgeridentifikationsnummer kommt

      Mit der Verkündung des Registermodernisierungsgesetzes kann der Aufbau der digitalen Architektur beginnen, die das E-Government hierzulande voranbringen soll.

      Nachdem der Bundesrat am 5. März 2021 dem "Gesetz zur Einführung und Verwendung einer Identifikationsnummer in der öffentlichen Verwaltung und zur Änderung weiterer Gesetze" - kurz Registermodernisierungsgesetz (RegMoG) - zugestimmt hatte, wurde das Gesetz am heutigen 6. April verkündet. Im Mittelpunkt steht die Einführung einer Identifikationsnummer für Bürgerinnen und Bürger, für die trotz erheblicher Widerstände im Vorfeld die Steuer-ID gewählt wurde.

      Dank dieses "veränderungsfesten Ordnungsmerkmals" können laut Pressemitteilung des Bundesinnenministeriums Verwaltungsdaten "sicher und datenschutzkonform der richtigen Person" zugewiesen werden. Der Ausbau der dafür erforderlichen digitalen Infrastruktur soll nun stufenweise erfolgen. Die ID-Nummer soll künftig für wichtige Verwaltungsleistungen des Onlinezugangsgesetzes (OZG) einsetzbar sein. Mit diesem Gesetz hatten sich Bund, Länder und Gemeinden dazu verpflichtet, 575 Verwaltungsdienstleistungen bis zum Jahr 2022 online anzubieten.

      "Datenschutzcockpit" soll Kontrolle ermöglichen
      Das Registermodernisierungsgesetz verwirklicht das "Once-Only"-Prinzips, demzufolge in Registern vorgehaltene Angaben und Nachweise nicht immer wieder neu vorgelegt werden müssen. Dem Bundesinnenminsterium zufolge werde außerdem die Qualität der Registerdaten gesteigert, des Weiteren nütze die Identifikationsnummer auch in der Statistik. Transparenz herstellen und Vertrauen schaffen soll ein "Datenschutzcockpit", das schrittweise mit der Nummer eingeführt wird. Mit ihm können Bürgerinnen und Bürger von jedem Internetzugang aus überprüfen, welche Daten auf Grundlage ihrer ID zwischen öffentlichen Stellen ausgetauscht wurden.

      Im Vorfeld gab es Bedenken aus verschiedenen Richtungen. Datenschützer von Netzpolitik.org befürchten etwa, dass das Gesetz "die Türe zur Profilbildung und zu noch mehr Überwachung der Bürger:innen" öffne. Auch die juristischen Experten der Friedrich-Naumann-Stiftung fanden in ihrem im Dezember erstellten Rechtsgutachten kritische Worte. Zwar sei das Vorgehen "im Rahmen der Registermodernisierung politisch legitim", jedoch aufgrund der Möglichkeit, die vorgesehenen Schutzmechanismen zu umgehen "äußerst risikoreich".

      Verfassungsrechtlich bedenklich
      Außerdem bestünden "schwerwiegende verfassungsrechtliche Bedenken". Ein solches Personenkennzeichen und die damit verbundene Möglichkeit, Daten aus den verschiedensten Lebens- und Verwaltungsbereichen zusammenzuführen, schaffe "die Grundlage für eine umfassende Registrierung, Profilbildung und Katalogisierung der Persönlichkeit von Bürgern durch den Staat". Die Experten legten alternative Vorschläge vor.

      In seinen FAQ gibt das Bundesinnenministerium Auskunft über die Details und versucht, Datenschutz- und Überwachungsbedenken zu zerstreuen.

      Quelle: Gesetz verkündet: Bürgeridentifikationsnummer kommt | heise online