Castor-Transporte nach Biblis stehen bevor

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    • Castor-Transporte nach Biblis stehen bevor

      Vom englischen Sellafield aus starten wieder Castoren nach Biblis. Der Atommüll könnte schon im November nach Deutschland zurückkommen.

      Es ist der strahlende Abfall der deutschen Energiewirtschaft der vergangenen Jahrzehnte. Deutschland weiß noch nicht endgültig, wohin mit der aufbereiteten hochradioaktiven Fracht aus dem englischen Sellafield, also müssen die Castoren erst einmal zwischengelagert werden. In den kommenden Wochen soll wieder ein Castor-Transport durch die Republik rollen, von der Küste ins südhessische Biblis. In der Vergangenheit gab es dabei immer wieder teils massive Proteste. Im Frühjahr war der Transport wegen der Corona-Pandemie noch abgesagt worden.

      Pflicht zur Rückholung
      Deutschland muss aufgrund internationaler Verpflichtungen seinen im Ausland wiederaufbereiteten Atommüll zurücknehmen. Noch heute lagern in den Wiederaufbereitungsanlagen im französischen La Hague und im britischen Sellafield Castoren mit radioaktiven Abfällen aus deutschen Atomkraftwerken. Bis 2011 wurden diese im Zwischenlager im niedersächsischen Gorleben untergebracht. Jetzt müssen sie dezentral gelagert werden, unter anderem auch am Standort des früheren Atomkraftwerks Biblis in Südhessen. Eigentlich sollten sechs Castoren schon im Frühjahr von Sellafield nach Biblis gebracht werden. Wegen der Corona-Krise wurde dies verschoben. Im September gab das Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung für das vierte Quartal 2020 nun grünes Licht.

      Von Sellafield aus sollen die Castoren nach Angaben der mit dem Transport beauftragten Gesellschaft für Nuklear-Service (GNS) zum englischen Hafen Barrow-in-Furness per Bahn gebracht werden. Dort werden sie auf ein Schiff geladen und nehmen Kurs nach Deutschland. Ab hier hüllen sich GNS und Sicherheitsbehörden in Schweigen. Sie sollen in einem deutschen Seehafen ankommen und auf Waggons verladen werden. Anschließend geht es nach Biblis. Atomkraftgegner gehen davon aus, dass das Schiff den niedersächsischen Hafen Nordenham anlaufen wird.

      Transportsicherung
      Wie die Sicherung des Transportes erfolgt, da lassen sich die Sicherheitsbehörden nicht in die Karten schauen. "Aus taktischen Gründen", wie es heißt. Zuständig sind die Polizeien der betroffenen Bundesländer und die Bundespolizei, weil der Transport in Deutschland ausschließlich über die Schiene läuft. "Die Polizei Niedersachsen bereitet sich derzeit auf einen entsprechenden Einsatz im 4. Quartal 2020 vor", heißt es beim niedersächsischen Innenministerium. Auch in Hessen bereitet ein Stab der Polizei den Einsatz vor. Konkrete Zahlen könnten noch nicht genannt werden, heißt es aus dem dortigen Innenministerium.

      Es ist aber davon auszugehen, dass ein großes Polizeiaufgebot die Route sichern wird. Bei früheren Transporten kam es immer wieder dazu, dass Gleise blockiert wurden oder Aktivisten sich anketteten. Auch jetzt sind wieder Protestaktionen geplant. Auf der Homepage des Bündnisses Castor-stoppen heißt es: "Unser Protest wird bunt und vielfältig sein und verschiedene Formen haben. Es wird eine angemeldete Mahnwache für alle in Biblis geben. Auf dem deutschen Teil der Transportstrecke wird es neben weiteren Mahnwachen oder Kundgebungen Kleingruppenaktionen und anschlussfähige gemeinschaftliche Aktionen mit vielen Aktivist*innen aus der Antiatom- und Klimabewegung geben."

      Transportgenehmigung bis Jahresende
      Auch da legen Transportfirma GNS und die Sicherheitsbehörden ihre Pläne nicht auf den Tisch. Die vom zuständigen Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung gegebene Transportgenehmigung ist gültig bis zum Jahresende. Das Nachrichtenmagazin Der Spiegel berichtete unlängst von der ersten Novemberwoche als Zeitfenster. Auch Atomkraftgegner vom Arbeitskreis Wesermarsch in Niedersachsen gehen von der ersten Novemberwoche aus. Genauer will es das Bündnis "Castor-stoppen" wissen. "Zuerst ab dem 26.10. als Schiffstransport von Sellafield nach Nordenham bei Bremerhaven. Dann als Schienentransport im Zeitfenster vom 1.11. bis 4.11. von Nordenham nach Biblis", heißt es auf der Website des Bündnisses.

      Ungeeignetes Zwischenlager
      Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (Bund) will den Castor-Transport stoppen und geht mit einem Verfahren um vorläufigen Rechtsschutz gegen den Transport vor. Im Fokus steht hierbei, dass es im Zwischenlager keine Möglichkeit gebe, Castor-Behälter zu reparieren. Dies sei notfalls bei Defekten vor einem späteren Weitertransport in ein Endlager aber zwingend nötig. Ein Castordeckel könne nur in einem hermetisch abgeschlossenen Raum mit Luftfilterung und ohne Personal geöffnet werden, einer sogenannten Heißen Zelle.

      Das Zwischenlager sei "eine Sackgasse ohne Wendehammer für den Atommüll". Ein anderer Kritikpunkt der Gegner ist, dass die ganze Aktion inmitten der Corona-Krise stattfinden soll. Im Frühjahr sei der Transport mit Blick auf die Infektionsgefahr abgeblasen worden. Jetzt seien die Infektionszahlen aber fast wieder genauso hoch, kritisieren Umweltschützer und Atomkraftgegner.

      Weitere Castor-Transporte
      Nach Biblis rollen dann zum letzten Mal Castoren. Mit den sechs erwarteten stehen im Zwischenlager nach Angaben der zuständigen BGZ Gesellschaft für Zwischenlagerung dann 108 Behälter, erlaubt wären 135. Weitere Transporte wird es aus Sellafield nach Brokdorf in Schleswig-Holstein, und zum Kraftwerk Isar in Bayern sowie aus La Hague nach Phillipsburg in Baden-Württemberg geben. Im Zuge der Energiewende in Deutschland nach dem Reaktorunglück im japanischen Fukushima 2011 sollen bis in zwei Jahren alle Meiler abgeschaltet sein. Wenn es dann in Jahrzehnten wie geplant ein Endlager geben sollte, wird der viele tausend Jahre strahlende Müll von den Zwischenlagern dorthin transportiert.

      Quelle: Castor-Transporte nach Biblis stehen bevor | heise online
    • Castor-Transport rollt wieder durch Deutschland

      Nach neun Jahren sind wieder Castoren in Deutschland unterwegs. Aufgrund von Corona ruft die Politik Demonstranten zur Mäßigung auf.

      Der erste Castor-Transport mit deutschem Atommüll aus dem Ausland seit neun Jahren ist in Deutschland angekommen. Ein seit mehreren Tagen erwartetes Spezialschiff aus Großbritannien machte am Montagmorgen im Hafen Nordenham an der Weser fest, wie die Polizei mitteilte. Von dort sollen die sechs Castor-Behälter mit der Bahn in ein Zwischenlager in Biblis in Hessen gebracht werden. Zur Abfahrt des Zuges und der Route machten weder die Transportfirma GNS noch die massiv vertretene Polizei Angaben.

      Möglich ist der Weg von Nordenham nach Biblis Richtung Westen durch Nordrhein-Westfalen oder Richtung Osten über Hannover. Atomkraftgegner kritisieren den Transport des immer noch strahlenden Materials. Sie hielten nicht nur in Nordenham eine Dauermahnwache. Auch entlang der möglichen Fahrtstrecken Richtung Biblis haben verschiedene Anti-Atomgruppen zu Kundgebungen aufgerufen.

      Der Atommüll aus deutschen Kernkraftwerken war in der britischen Wiederaufbereitungsanlage Sellafield bearbeitet worden. Von einem dortigen Hafen stach das Schiff "Pacific Grebe" am vergangenen Dienstag in See. Auf der Fahrt durch die Nordsee wurde der Frachter von der Bundespolizei eskortiert. In der Zwölfmeilenzone vor der Küste übernahm die niedersächsische Polizei.

      Bis zum späten Montagabend hievte ein Kran vier der runden Container vom Schiff auf die bereitgestellten Waggons. Das Umladen werde am Montag nicht mehr abgeschlossen werden, sondern sich bis Dienstag hinziehen, sagte eine Polizeisprecherin. Vor dem abgeriegelten Hafengelände hielten den Tag über mehrere Atomkraftgegner eine Dauermahnwache. "Es verlief friedlich", sagte die Sprecherin.

      Auch von der Firma GNS, die den Transport durchführt, hieß es, dass das Umladen bis in den Dienstag dauern werde. Die Außenstrahlung der Castor-Behälter werde beim Umsetzen noch einmal gemessen. Bei der letzten Messung in Sellafield habe der Wert ein Viertel des erlaubten Grenzwertes betragen.

      Castor-Transport unter Corona-Bedingungen
      Die Corona-Pandemie trifft dabei sowohl die Sicherung des Transports wie auch die Demonstrationen. Die Polizeidirektion Oldenburg habe auf Basis der Empfehlungen des Robert Koch-Instituts ein umfassendes Hygienekonzept erstellt, sagte Polizeivizepräsident Andres Sagehorn. "Die Gesundheit aller Beteiligten genießt höchste Priorität", sagte der Gesamteinsatzleiter. Dies gelte sowohl für die Bürgerinnen und Bürger, die ihr Grundrecht auf Versammlungsfreiheit ausübten, wie für die Polizeikräfte im Einsatz.

      Nach Angaben der Bundesregierung muss Deutschland aufgrund internationaler Verpflichtungen seinen im Ausland aufbereiteten Atommüll zurücknehmen – aus Sellafield wie aus der französischen Anlage La Hague. An dem Transport des gefährlichen Materials gibt es viel Kritik. Umweltschützer sehen Mängel am Zwischenlager Biblis und Sicherheitsdefizite bei den Castor-Behältern. Die für die Lagerung des hoch radioaktiven Atommülls zuständige Gesellschaft für Zwischenlagerung (BGZ) weist diese Bedenken zurück.

      Die Bundespolizei habe alle möglichen Fahrstrecken des Zuges gesichert, sagte ein Sprecher. Auch Hubschrauber würden eingesetzt. "Mit Beginn des Schienentransports sind wir zuständig", sagte er. Zuletzt waren im November 2011 Castoren aus La Hague in das Zwischenlager Gorleben in Niedersachsen gebracht worden. Die Zugfahrt zog sich damals fünf Tage hin, weil Gleise blockiert wurden.

      Niedersachsens Umweltminister Olaf Lies (SPD) kritisierte Proteste gegen den Castor-Transport. In der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung appellierte Lies an die Castor-Gegner, "doch einmal nachzudenken, ob es nicht sinnvoller wäre, auf mögliche Gegendemonstrationen zu verzichten – gerade weil wir eine pandemisch brenzlige Situation haben". Die Polizeibeamten durch die geplanten Proteste einer zusätzlichen Infektionsgefahr auszusetzen, sei "verantwortungslos", sagte Lies. Er betonte, der Atomausstieg sei beschlossen, deshalb ergebe es keinen Sinn, die alten ideologischen Kämpfe wieder aufleben zu lassen.

      Quelle: Castor-Transport rollt wieder durch Deutschland | heise online