Urheberrechtsreform: Künstler laufen Sturm gegen freie Inhalte-Schnipsel

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    • Urheberrechtsreform: Künstler laufen Sturm gegen freie Inhalte-Schnipsel

      576 Kreative sind entsetzt über die geplante Bagatellausnahme für nicht-kommerzielle Nutzungen in sozialen Medien, YouTuber und Verbraucherschützer dafür.

      Eine Gruppe von 576 Künstlern appelliert an die Politik, das Urheberrecht "nicht gegen uns auszuspielen". Musik bis zu 20 Sekunden, Remixe, Samples – "alles soll frei nutzbar sein, ohne Lizenz", wettert die Allianz gegen den Entwurf des Bundesjustizministeriums zur Urheberrechtsreform. Vor allem die vorgesehenen neuen Ausnahmen von den exklusiven Verwertungsrechten seien "so hanebüchen europarechtswidrig", dass "wir nur noch mit dem Kopf schütteln können".

      Zu den Unterzeichnern des heise online vorliegenden Briefs an Regierungsmitglieder und Bundestagsabgeordnete gehören die Bands und Ensembles AnnenMayKantereit, Antilopen Gang, Beatsteaks, die Berliner Philharmoniker, die Ärzte, die Toten Hosen, Feine Sahne Fischfilet und Kraftwerk. Dazu kommen Musiker, Sänger und DJs wie Blixa Bargeld, Herbert Grönemeyer, Joy Denalane, Leslie Mandoki, Paul van Dyk und Tim Bendzko.

      "Keine angemessene Vergütung"
      "Die Corona-Krise hat uns hart getroffen", schreiben die Künstler. Umso mehr schmerze es, "dass wir auf dem einzigen nicht eingeschränkten Markt" der Online-Plattformen "immer noch keine angemessene Vergütung für unsere Werke erhalten". Das EU-Parlament habe hier den Mut gehabt, mit der umstrittenen Urheberrechtsrichtlinie und dem damit verschärften Haftungsregime "das ungleiche Machtgefälle" ein Stück weit in Richtung einer neuen Balance zu verschieben.

      Noch ein anderes Anliegen hätten die EU-Politiker aufgegriffen, betont das Bündnis, und "die Verfügungsgewalt über unsere künstlerische Arbeit wieder in unsere Hände zurückgelegt: Wir sollen nicht länger in den Fluten der Plattformen jedes Videofitzelchen selbst herausfischen müssen, in dem sich z. B. Neurechte oder Verschwörungstheoretiker*innen ungefragt die Bekanntheit unserer Werke zu Nutze machen."

      Die Musiker zeigen sich deswegen "entsetzt", wie wenig von dieser Intention in dem Vorhaben des Ministeriums verblieben sei: Die Richtlinie werde verwässert, die Position der Kreativen bei Verhandlungen geschwächt. "Statt eines harmonisierten europäischen Marktes für Lizenzen bekommen wir einen deutschen Selbstbedienungsladen, in dem unsere Werke an jeden verschenkt werden, der 'Pastiche' sagt."

      Bagatellschranke
      Vor allem die vorgeschlagene "Bagatellschranke", mit der Inhalte-Schnipsel wie Meme in sozialen Medien lizenzfrei und vergütungsfrei werden sollen, müsse fallen, fordern die Verfasser. Nutzerrechte im Bereich "User Generated Content" dürften nicht pauschal durch die Hintertür erweitert werden. Das bewährte Notice-and-Takedown-Verfahren zum Herunternehmen von Inhalte sei beizubehalten.

      Dass das Gesetzgebungsvorhaben sehr umstritten ist, zeigt neben den bereits publik gewordenen Einwänden aus anderen Ministerien auch die hohe Zahl von über 100 Stellungnahmen an das Justizressort. Die Palette der Interessensvertreter reicht von Rechteinhabern über Verbände der IT-Wirtschaft und Initiativen wie SaveTheInternet, die seit Langem gegen Upload-Filter mobil machen, bis zu den Kirchen. So machen sich die deutschen Bischöfe etwa dafür stark, auch jenseits der Corona-Pandemie Gottesdienste weiterhin streamen zu können mit einer Pauschalvergütung über die Verwertungsgesellschaft Gema.

      Gegen Upload-Filter
      Erstmals ihre Stimme erheben 48 Social-Media-Größen wie PietSmiet, Gronkh, Le Floyd, Rewi, Rezo und Tilo Jung, die nach eigenen Angaben gemeinsam rund 88 Millionen Nutzer auf YouTube, Instagram, Twitter, Twitch und TikTok erreichen. Sie monieren, dass die Initiative "zwischen Inhabern von Urheberrechten und Nutzern von Upload-Plattformen" eine Grenze ziehe, "die nicht der gelebten Praxis entspricht". Als "Content Creator" seien sie beides und hätten "als Kreative und als Unternehmen der Kulturwirtschaft" gegen den damaligen Artikel 13 (jetzt 17) der Richtlinie protestiert.

      "Wir lehnen automatisierte Systeme, die Uploads auf Urheberrechtsverletzung überprüfen, grundsätzlich ab", unterstreichen die Macher. Diese könnten hochgeladene Werke inhaltlich nicht verstehen und seien so nicht dafür geeignet sind, fehlerfrei Urheberrechtsverstöße zu erkennen. Damit würden eigentlich legale Inhalte unterdrückt. Ausdrücklich positiv beurteilen die Schöpfer die "vorgesehenen Ausnahmen für die öffentliche Wiedergabe eines winzigen Ausschnittes" urheberrechtlich geschützter Werke zu nichtkommerziellen Zwecken.

      Nutzerrechte und Urheberrechte
      Der Bundesverband der Verbraucherzentralen (vzbv) lobt, dass das Justizministerien die Gestaltungsspielräume von Artikel 17 aktiv zu nutzen beabsichtigte. Klar sei aber, dass Upload-Filter auch mit dem vorliegenden Vorschlag nicht verhindert würden. Insofern breche die Regierung ihr im Koalitionsvertrag gegebenes Versprechen. Deswegen sei es entscheidend, "dass die Nutzerrechte bestmöglich geschützt werden". Dies sei kein notwendiges Übel, sondern Voraussetzung dafür, die EU-Vorgaben überhaupt grundrechtskonform umsetzen zu können.

      Auch Wikimedia Deutschland ruft die Regierung dazu auf, stärker auf die Bedürfnisse der Nutzer zu achten und die Balance der gesetzlichen Erlaubnisse zu wahren. Selbst wenn die Wikipedia von Artikel 17 ausgenommen sei: Sollten Filter-Algorithmen breit eingesetzt werden, leide der gesamte Entstehungsprozess von freiem Wissen über soziale Medien, Foren und Videoportale massiv. Dass automatische Systeme Inhalte vorab prüfen sollten, widerspreche dem Tenor der Protokollerklärung der Exekutive.

      Verlagerung der Verantwortung
      Im Gegensatz zum Diskussionsentwurf enthalte das überarbeitete Papier keine "innovativen Lösungen" mehr, bedauert Google. Das Justizressort bürde nun Diensteanbietern "die Verantwortung für Probleme innerhalb des Ökosystems auf, die außerhalb ihrer Kontrolle liegen". Die Pflicht, Lizenzen für typischerweise hochgeladene Inhalte zu erwerben, sei nicht praktikabel und unvereinbar mit europäischem Recht.

      Das erweiterte Leistungsschutzrecht für Presseverleger hält der Konzern für unnötig. Erst im Oktober 2020 habe er bekanntgegeben, Journalisten und Presseverlage über das "News Showcase" verstärkt zu unterstützen und für ausgewählte hochwertige Artikel Lizenzgebühren zu zahlen. Snippets mit bis zu 200 Zeichen beziehungsweise 30 Wörtern sollten auf jeden Fall lizenzfrei bleiben. Laut der VG Media, die viele Verlage vertritt, sichert der Entwurf trotz Korrekturen aber "die Geschäftsmodelle der Anbieter von Diensten, die Presseerzeugnisse intensiv und umfangreich nutzen".

      Technische Bedenken gegen das im Raum stehende "Pre-Flagging-System" hat Facebook. Milliarden von Uploads mit Millionen Dateien von Rechteinhabern in Echtzeit mit komplexer Technologie abzugleichen, "ist in vielen Fällen nicht möglich". Auf deutsche Nutzer könnten längere und frustrierende Wartezeiten zukommen beim Versuch, Inhalte zu posten. Dies dürfte ihrem Recht auf freie Meinungsäußerung schaden.

      Quelle: Urheberrechtsreform: Künstler laufen Sturm gegen freie Inhalte-Schnipsel | heise online
    • Urheberrechtsreform: Oettinger wettert gegen freie Inhalte-Schnipsel

      Der frühere EU-Kommissar hält die hierzulande geplante Bagatellausnahme für nicht-kommerzielle Nutzungen in sozialen Medien für europarechtswidrig.

      Die vom Bundesjustizministerium vorgesehene vergütungspflichtige Ausnahme für geringfügige Nutzungen von Schnipseln aus Video-, Audio- und Textmaterial auf Online-Plattformen für nichtkommerzielle Zwecke missfällt dem ehemaligen EU-Kommissar Günther Oettinger. Der CDU-Politiker reibt sich daran, dass damit zu viele Inhalte gleichsam verschenkt würden.

      "Hier geht es darum, was Google tun darf"
      "Hier geht es darum, was Google tun darf", erklärte Oettinger gegenüber dem Newsletter "Playbook" des Online-Magazins "Politico". "Der Entwurf lässt eindeutig zu viele kostenfreie Elemente zu", was gegen den Geist und den Text der EU-Urheberrechtsrichtlinie verstoße. Sollte der Bundestag die heftig umstrittene Initiative mit dieser Klausel verabschieden, wäre ein Vertragsverletzungsverfahren seiner Ansicht nach unvermeidbar.

      Laut der "Bagatellschranke" dürften bis zu 20 Sekunden einer Audio- oder Videodatei, bis zu 1000 Zeichen eines Texts oder Bilder bis 250 Kilobyte ohne Freigabe des Rechteinhabers etwa in sozialen Medien verwendet werden. Oettinger, der als Kommissar für die digitale Gesellschaft und Wirtschaft die EU-Urheberrechtsnovelle 2016 auf den Weg gebracht hatte, hält eine Debatte darüber für verlorene Zeit: "Dieser Streit wurde ausgetragen und ist beigelegt" unabhängig davon, ob man dies gutheiße oder nicht. Es gebe daher "keine Notwendigkeit für ein Rückspiel in Deutschland".

      "Kurs unter der Kommission von von der Leyen als Vorbild"
      Zugleich beklagte der Christdemokrat das schleppende Tempo bei dem Gesetzesverfahren in Deutschland: "Von einer Umsetzung sind wir noch weit entfernt." Er erwarte, dass sein Heimatstaat die Vorgaben aus Brüssel vollständig implementiere. Dafür blieben aber nur noch sechs Monate Zeit. Andere Mitgliedsstaaten seien hier schon deutlich weiter.

      Zum Vorbild nehmen sollte sich die Bundesregierung nach Ansicht Oettingers den neuen Kurs in der Technologiepolitik unter der Kommission von Ursula von der Leyen (CDU). Diese wolle "zurecht europäische Regeln einführen, die digitale Dienste in der EU auf eine Stufe mit Google oder Alphabet und Facebook stellen".

      Remix, Meme, Mashups, Fan Art oder Samples
      Der Baden-Württemberger, der jüngst einen Sitz im Aufsichtsrat des Tunnelbohrmaschinenherstellers Herrenknecht übernahm, hatte bereits 2019 vor einem deutschen "Sonderweg" im Umgang mit der EU-Copyright-Reform gewarnt. Damals stieß er sich just an dem Vorschlag aus seiner Partei, eine Bagatellklausel einzuführen und so Upload-Filter unnötig zu machen. Die CDU wollte schon damals auf Pauschallizenzen und eine entsprechende Vergütung setzen.

      Zuvor erhoben auch Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier und Kulturstaatssekretärin Monika Grütters (beide CDU) Einwände gegen die von Justizministerin Christine Lambrecht (SPD) vorgeschlagene Bagatellschranke. Viele Künstler und hinter ihnen stehende Lobbyvereinigungen wie der Bundesverband Musikindustrie (BVMI) und der Verband unabhängiger Musikunternehmer (VUT) laufen Sturm gegen freie Inhalte-Schnipsel und das ebenfalls neue Nutzerrecht für Pastiche: Damit sollen etwa Remix, Meme, Mashups, Fan Art oder Samples legalisiert und vergütungspflichtig werden.

      Schranke für Bagatellnutzungen europarechtlich zulässig
      Die Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) betont dagegen in ihrer Stellungnahme zu dem Entwurf, dass die Schranke für Bagatellnutzungen europarechtlich zulässig und für die Grundrechte der Nutzer "von erheblicher Bedeutung ist". Pastiche-Nutzungen sollten vergütungsfrei sein wie Zitate und Parodien.

      Auch Social-Media-Größen und Verbraucherschützer halten es für unerlässlich, die Nutzerrechte bestmöglich zu schützen. Sonst wäre die Richtlinie nicht grundrechtskonform umsetzbar. Die Bundesregierung will ihren gemeinsamen Entwurf laut dem aktuellen Kabinettsplan am 16. Dezember zusammen mit zahlreichen anderen brisanten netzpolitischen Initiativen auf den Weg bringen.

      Quelle: Urheberrechtsreform: Oettinger wettert gegen freie Inhalte-Schnipsel | heise online
    • Urheberrechtsreform: Justizministerium dampft freie Inhalte-Schnipsel ein

      Die geplante Bagatellausnahme für unkommerzielle Nutzungen in sozialen Medien soll eingeschränkt werden und nur noch temporär auf Abruf gelten.

      Das Bundesjustizministerium hat die von ihm vorgesehene vergütungspflichtige Ausnahme vom exklusiven Verwertungsrecht für geringfügige Nutzungen von Schnipseln aus Video-, Audio- und Textmaterial auf Online-Plattformen für nichtkommerzielle Zwecke deutlich eingeschränkt. Pro forma bleibt die umkämpfte Bagatellklausel im jüngsten Entwurf zur Urheberrechtsnovelle zwar noch erhalten. Das Justizressort hat sie aber mit mehreren zu erfüllenden Anforderungen "eingefangen" und als Nutzerrecht so weitgehend entwertet.

      Nichtkommerziell Nutzung an umfangreiche Bedingungen geknüpft
      In dem heise online vorliegenden Papier von Ende November, das bereits als "Gesetzentwurf der Bundesregierung" überschrieben und offenbar weitgehend mit den anderen Ressorts abgestimmt ist, hat das Justizministerium die Systematik des geplanten "Urheberrechts-Diensteanbieter-Gesetzes" (UrhDaG) massiv geändert. Dabei handelt es sich um das Vorhaben, im Rahmen der Reform den besonders umstrittenen Artikel 17 (vormals 13) der EU-Urheberrechtsrichtlinie zur ausgeweiteten Verantwortung von YouTube, Facebook & Co. umzusetzen.

      Es gibt zwar weiterhin – nun mit Paragraf 10 UrhDaG – eine Norm, mit der prinzipiell nichtkommerzielle Nutzungen bis zu 20 Sekunden je eines Films oder Laufbildes und einer Tonspur, bis zu 1000 Zeichen je eines Textes und bis zu 250 Kilobyte je eines Lichtbilds oder einer Grafik in Social Media erlaubt werden sollen. Stand diese Klausel im ursprünglichen Referentenentwurf als Paragraf 6 aber noch für sich, um maschinelle Blockaden alias Upload-Filter weitgehend unnötig zu machen, ist sie nun an umfangreiche Bedingungen geknüpft.

      Vergütungspflicht für den Diensteanbieter
      So müssen zum einen "die übrigen Voraussetzungen" von Paragraf 9 Absatz 2 vorliegen, "um unverhältnismäßige Blockierungen beim Einsatz automatisierter Verfahren zu vermeiden". Die "Bagatellschranke" gilt demnach nur für nutzergenerierte Inhalte, die weniger als die Hälfte eines Werkes von Dritten enthalten, die grundsätzlich zulässigen Auszüge "mit anderem Inhalt kombinieren" und Schöpfungen Dritter – hier ergibt sich ein Zirkelschluss – tatsächlich nur geringfügig nutzen oder per "Pre-Flagging" als gesetzlich erlaubt gekennzeichnet sind.

      Paragraf 9 wiederum bezieht sich auf Paragraf 5 zu allgemein, insbesondere nach dem eigentlichen Urheberrechtsgesetz erlaubten Nutzungen wie Zitate, Karikaturen, Parodien sowie künftig zusätzlich Pastiches. Auch "nicht erfasste gesetzlich erlaubte Fälle der öffentlichen Wiedergabe nach Teil 1 Abschnitt 6 des Urheberrechtsgesetzes" sollen erfasst sein – ein Verweis, der sich für den Otto-Normal-Nutzer, der von der Bagatellklausel profitieren soll, nicht einfach auflösen lässt. Dazu kommt eine Vergütungspflicht für den Diensteanbieter.

      Upload-Filter
      In der Begründung, die später nicht Teil des eigentlichen Gesetzes ist, bemüht sich das Justizministerium um Erläuterungen. Demnach soll es bei dem verzweigten kryptischen Paragrafengefüge insbesondere darum gehen, im Einklang mit der EU-Richtlinie "die Meinungs- und Kunstfreiheit der Nutzer" zu schützen und etwa die soziale Praxis der "Memes" und animierten GIFs rechtssicher zu machen.

      Einerseits könnten Rechteinhaber von Plattform-Betreibern die qualifizierte Blockierung ihrer Werke verlangen, wenn sie kein Interesse daran haben, dass ihre Inhalte dort genutzt werden, führt das Ressort aus. "Große Diensteanbieter werden hierfür häufig automatisierte Verfahren einsetzen", verweist es auf die gefürchteten Upload-Filter. Andererseits hätten Nutzer das garantierte Recht, legale Nutzungen störungsfrei zugänglich zu machen.

      Gefahr des "Overblocking"
      Nun komme es zu einem Dilemma, räumt das Ministerium ein. "Algorithmenbasierte Verfahren" könnten "insbesondere kontextbezogene Nutzungen" nämlich "nicht als gesetzlich erlaubt identifizieren". Dadurch entstehe die Gefahr des "Overblocking". Die Paragrafenkaskade des UrhDaG soll diesen Zielkonflikt auflösen: Nutzergenerierte Inhalte, die "bestimmte typisierte Anforderungen erfüllen", gälten damit "als mutmaßlich erlaubt" und müssten "trotz Blockierverlangens" wiedergegeben werden.

      "Zu diesem Zweck definiert das Gesetz Kriterien, die für eine gesetzlich erlaubte Nutzung sprechen und die gleichzeitig in automatisierten Verfahren nachprüfbar sind", heißt es. So müssten hochgeladene Werkteile "mit mindestens einem anderen Inhalt kombiniert worden sein", sei es eigener Content des Nutzers oder fremder.

      Pre-Flagging-Mechanismus "genau umgekehrt"
      Zudem sind auch die anderen "Tatbestandsmerkmale" für eine erlaubte geringfügige Nutzung entscheidend. Ein Beispiel: Umfasse etwa ein Gedicht 450 Zeichen, so dürfte davon weniger als der Hälfte in Anspruch genommen werden, also höchstens 224 Zeichen. Praktische Bedeutung erlangten die Grenzwerte also erst bei einem Werkumfang von mehr als 2000 Zeichen im Text- oder 40 Sekunden im Audio- und Videobereich. Rechteinhabern steht es ferner frei, die Vermutung der zulässigen Bagatellnutzung im Rahmen eines Beschwerdeverfahrens zu widerlegen.

      Der hinter der Wikipedia stehende Verein Wikimedia Deutschland sieht mit diesem Ansatz die gesamte Reform auf der Kippe. Schon mit dem Referentenentwurf habe das Justizressort den im vorausgegangenen Diskussionspapier noch nutzerfreundlicher ausgestalteten Pre-Flagging-Mechanismus "genau umgekehrt" und setze nun "eine flächendeckende Durchleuchtung von Uploads faktisch voraus", ist im aktuellen Politikbrief der zivilgesellschaftlichen Organisation nachzulesen.

      "Alle Rechte vorbehalten"
      Umso wichtiger wäre nun die Erlaubnis von Kleinstnutzungen gewesen, schreiben die Rechtsexperten von Wikimedia. Sie hätte die letzte nennenswerte Bastion gegen das Filtern von Memes und ähnlichen Social-Media-Phänomenen sein können, sei nun aber "stark zurückgebaut worden" zugunsten eines "Alle Rechte vorbehalten". Zudem gelte die verbliebene Hülle der Bagatellklausel jetzt nur noch "bis zum Ende eines möglichen Beschwerdeverfahrens". Es handle sich also um eine Sicherung von Nutzerinteressen "auf Abruf, jederzeit anfechtbar durch Rechteinhaber".

      Die Fragen des Europäischen Gerichtshofs im Rahmen der mündlichen Anhörung zur Klage Polens gegen Artikel 17 im November deuten laut Wikimedia aber darauf hin, "dass Kleinstnutzungen sogar erlaubt sein müssen", um das von den Luxemburger Richtern verlangte Schutzniveau für Nutzer zu erreichen.

      Digitale Innovationsbremse
      Entsprechend sollte im weiteren Verfahren laut Wikimedia dringend eine Lösung gefunden werden, die "die grundrechtlich geschützten Kommunikationsfreiheiten auch in ihren aktuellen Formen wie der Meme-Kultur schützt". Nur dann könne die Umsetzung europarechtskonform und verhältnismäßig sein. Zitate, Parodien, Pastiche & Co. dürften zudem nicht auf Plattformen vergütungspflichtig werden, da sonst der mühsam erreichte Interessensausgleich nicht mehr zu halten sei.

      Zuvor waren viele Künstler – angefeuert durch die hinter ihnen stehenden Verbände – Sturm gelaufen gegen die Bagatellausnahmen. Sie befürchten "einen deutschen Selbstbedienungsladen, in dem unsere Werke an jeden verschenkt werden, der 'Pastiche' sagt". Auch Verlegervertreter wie Mathias Döpfner von Axel Springer gehen gegen die "geringfügigen Nutzungen" auf die Barrikaden. Die IT-Verbände Bitkom und eco monieren dagegen weiter, dass sich die Novelle als digitale Innovationsbremse auswirken dürfte und keine Balance – dafür aber Upload-Filter – mit sich bringe. Das Bundeskabinett will den Regierungsentwurf am Mittwoch zusammen mit anderen netzpolitisch brisanten Initiativen auf den Weg bringen.

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    • Bibliotheken fordern: E-Books wie gedruckte Bücher behandeln

      Verlage verweigern viele E-Books für die Ausleihe. Bibliotheken fordern darum die rechtliche Gleichstellung von E-Books mit gedruckten Büchern.

      Mehr als 600 Leiter und Leiterinnen von Bibliotheken in Deutschland haben in einem offenen Brief an die Bundestagsabgeordneten eine rechtliche Nachbesserung beim Verleih von E-Books gefordert. Der Deutsche Bibliotheksverband verwies am Freitag auf das Beispiel einer Bestsellerliste für Sachbücher: Derzeit verweigerten die Verlage den Bibliotheken 70 Prozent der neu erscheinenden E-Books für die Ausleihe. "Lizenzen für die Ausleihe werden häufig erst nach monatelanger Wartezeit, oftmals auch gar nicht eingeräumt", heißt es.

      Der Verbandsvorsitzende Andreas Degkwitz forderte, beim aktuell vorliegenden Gesetzentwurf zur Änderung des Urheberrechtsgesetzes eine entsprechende gesetzliche Regelung aufzunehmen. Der freie Zugang zu Wissen und Information unabhängig von Bezahlschranken sei ein Grundrecht. "Doch das seit Jahren fehlende Verleihrecht für E-Books im Urheberrecht höhlt die Kultur- und Bildungsinfrastruktur der Öffentlichen Bibliotheken aus."

      Tantiemen für E-Ausleihe
      Die Kernforderungen lauten demnach: Die elektronischen Bücher sollen dem gedruckten Buch in allen Bereichen rechtlich gleichgestellt werden. Zudem soll die Bibliothekstantieme auf elektronische Werke ausgeweitet werden, damit Autoren und Autorinnen auch für das "E-Lending" angemessen bezahlt werden. Dazu gibt es eine Kampagne "#BuchistBuch".

      Gerade in Corona-Zeiten setzen die Bibliotheken auf digitale Ausleihen, in Berlin gibt es dafür beispielsweise einen kostenlosen Ausweis. Ob und wie Bibliotheken in der Pandemie geöffnet sind, ist in den Bundesländern unterschiedlich geregelt.

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    • Urheberrechtsreform: Bundesregierung billigt Upload-Filter und Sperrknopf

      Das Bundeskabinett hat den umkämpften Entwurf zur Urheberrechtsnovelle befürwortet und freie Inhalte-Schnipsel darin eingedampft.

      Die Bundesregierung hat am Mittwoch ihren Entwurf für ein Gesetzespaket "zur Anpassung des Urheberrechts an die Erfordernisse des digitalen Binnenmarkts" auf den Weg gebracht. Kern des Vorhabens, das nun in den Bundestag und den Bundesrat geht, ist ein neues "Urheberrechts-Diensteanbieter-Gesetz". Damit will die Regierung Upload-Plattformen wie YouTube, Facebook und Twitter stärker in die Pflicht nehmen und Artikel 17 der EU-Urheberrechtsrichtlinie umsetzen, der mit Upload-Filtern verbunden ist.

      Das Bundesjustizministerium hatte hier anfangs eine vergleichsweise freizügige Klausel für eine vergütungspflichtige Ausnahme vom exklusiven Verwertungsrecht für geringfügige Nutzungen von Schnipseln aus Video-, Audio- und Textmaterial für nichtkommerzielle Zwecke vorgesehen. Die Regierung hat diese aber gestutzt. Umfasst sein sollen nur noch 15 Sekunden je eines Filmwerkes oder Laufbildes und einer Tonspur, 160 Zeichen eines Texts sowie 125 Kilobyte je eines Lichtbildwerkes, Lichtbildes oder einer Grafik.

      Roter Knopf
      Zuvor war von 20 Sekunden bei Video- oder Audioaufnahmen, 1000 Textzeichen und Bildern mit 250 Kilobyte die Rede. Schon Ende November hatte das Justizministerium diese "Bagatellklausel" auch mit mehreren zu erfüllenden Anforderungen "eingefangen". Sie erstreckt sich so nur noch auf nutzergenerierte Inhalte, die weniger als die Hälfte eines Werkes von Dritten enthalten, und die grundsätzlich zulässigen Auszüge zu den Zwecken von Zitat, Karikatur, Parodie und Pastiche "mit anderem Inhalt kombinieren". Die lizenzfreien Schnipsel dürfen Schöpfungen Dritter zudem tatsächlich nur geringfügig nutzen oder müssen vom Nutzer als gesetzlich erlaubt gekennzeichnet sein.

      Am Konzept der Bagatellausnahmen hält die Regierung fest, "um unverhältnismäßige Blockierungen entsprechender Uploads beim Einsatz automatisierter Verfahren zu vermeiden". Das eigentlich für Nutzer gedachte Beschwerdeverfahren gegen das widerrechtliche Löschen legaler Inhalte durch Diensteanbieter hat sie aber auf Rechteinhaber konzentriert. Diese erhalten einen "roten Knopf", um insbesondere "Premiuminhalte" unverzüglich blockieren zu können. Damit soll der Schaden in Grenzen gehalten werden, wenn ein Nutzer fälschlicherweise behauptet, dass ein Upload rechtlich zulässig sei.

      Leistungsschutzrecht
      Mit dem Gesetzentwurf will die Regierung auch wieder ein Leistungsschutzrecht für Presseverleger im Internet einführen, nachdem der erste Anlauf aus formalen Gründen vorm Europäischen Gerichtshof gescheitert war. Dazu heißt es in der Begründung, dass sich dieses auch auf Vervielfältigungen für Online-Nutzungen beziehe wie das "Versenden von E-Mail-Newslettern mit Inhalten aus Presseveröffentlichungen an einzelne Nutzer". Rein interne notwendige Kopien wie etwa einer Webseite oder eines Dokuments zur Aufnahme in den Index einer Suchmaschine (Cache) sollen außen vorbleiben.

      Die Urheber sind prinzipiell mit mindestens zu einem Drittel an potenziellen Einnahmen der Verleger zu beteiligen. Davon soll nun aber zu ihrem Nachteil durch eine Vereinbarung abgewichen werden können. Vervielfältigungen eines gemeinfreien visuellen Werkes wie Fotos alter Gemälde genießen künftig keinen Leistungsschutz mehr. Dadurch soll der Zugang zum Kulturerbe verbessert werden.

      Laschets Intervention
      Eigentlich wollte das Bundeskabinett das Vorhaben schon vorigen Mittwoch beschließen. Damals setzte es den Punkt aber kurzfristig ab. Dem Vernehmen nach soll der neue CDU-Vorsitzende Armin Laschet gemeinsam mit dem Chef der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Ralph Brinkhaus, interveniert haben. Das jetzt befürwortete Papier enthält aber keine Änderungen gegenüber dem Vorentwurf vom 24. Januar.

      "Mit der Umsetzung der größten europäischen Urheberrechtsreform der vergangenen zwanzig Jahre in deutsches Recht machen wir das Urheberrecht fit für das digitale Zeitalter", freute sich Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) nun über den Beschluss. Vorgesehen sei ein "fairer Interessenausgleich", von dem Kreative, Rechteverwerter und Nutzer "gleichermaßen profitieren werden". Die Kommunikations- und Meinungsfreiheit der Nutzer wahre die Initiative, indem sie vor "Overblocking" schütze.

      Gebrochenes Versprechen
      Die Initiative Urheberrecht, die über 39 angeschlossene Organisationen rund 140.000 Urheber und Künstler vertritt, hatte die Verzögerung scharf kritisiert. Der Entwurf biete europarechtskonform die beste Grundlage dafür, die Kreativen gegenüber den Internetkonzernen nachhaltig besserzustellen. Wichtig sei etwa die vorgesehene Pflicht für Plattformbetreiber, zum Rechtserwerb Lizenzverträge etwa mit Verwertungsgesellschaften abzuschließen.

      Die Regierung habe ihr Versprechen gebrochen, Upload-Filter "nach Möglichkeit verhindern" oder "weitgehend unnötig machen" zu wollen, kritisierte der Verein Digitale Gesellschaft. Der geplante Mechanismus könne allenfalls Fälle irrtümlicher Sperrungen minimieren. Damit lasse sich nicht der ausdrücklichen Anforderung der Richtlinie gerecht werden, "dass legale Inhalte nicht blockiert werden dürfen".

      Volker Grassmuck aus dem Vorstand der Digitalen Gesellschaft meinte, dass so "eine grundlegend algorithmenbasierte neue Infrastruktur" geschaffen würde, "in die hinein alle künftigen Regeln für Urheberrechte und möglicherweise alle anderen zu kontrollierenden Inhalte im Online-Bereich formuliert werden". Darin liege ein enormes Risiko für die Meinungsfreiheit. Mit Erfolg hätten insbesondere große Verlage und die Musikindustrie mit Falschbehauptungen und einer bewussten Fehlinterpretation der Richtlinie das Zerrbild einer bevorstehenden "Enteignung" der Rechteinhaber an die Wand gemalt.

      30 Milliarden US-Dollar von Google
      Google teilte mit, in den vergangenen drei Jahren an YouTuber, Künstler sowie Musik- und Medienunternehmen über 30 Milliarden US-Dollar ausgeschüttet zu haben. Im Musikbereich bestünden auf YouTube bereits Lizenzvereinbarungen mit der überwiegenden Mehrheit der Inhaber von Musikrechten. Die deutsche Adaption von Artikel 17 führe nun aber "eine Reihe von Komplexitäten und rechtlichen Unsicherheiten" zu Lasten von Plattformen ein. Führende Urheberrechtsexperten forderten, dass Zitate und Parodien vergütungsfrei bleiben müssten.

      Die vorgelegte Umsetzung von Artikel 17 sei "an Komplexität nicht mehr zu überbieten", beklagt der IT-Branchenverband Bitkom. Praktisch würden Plattformen verpflichtet, Nutzerinhalte beim Upload automatisiert zu scannen. Die dafür angelegten Kriterien ließen hohe Fehlerquoten erwarten. Neue Strukturen zur Rechteklärung würden Transaktionskosten derart in die Höhe treiben, "dass in der Summe weniger Einnahmen bei den Kreativen ankommen". Das Vorhaben konterkariere letztlich "die bereits errungenen Kompromisse auf EU-Ebene".

      "Nutzerrechte kommen zu kurz"
      "Ob zu wenig oder zu viel gesperrt wird, die Haftung trifft immer die Diensteanbieter, die binnen Sekunden über die im Urheberrecht meist sehr komplexen Sachverhalte entscheiden müssen", gab der Vorstandsvorsitzende des eco-Verbands der Internetwirtschaft, Oliver Süme, zu bedenken. "Nur die Justiz – nicht private Anbieter und Unternehmen – sollte entscheiden, was Recht und was Unrecht ist." Hier seien "die fehlende Balance und Unausgewogenheit" zu kritisieren. Auch das Leistungsschutzrecht führe zu einem tiefen Einschnitt in die Meinungsfreiheit und lähme die Entwicklung neuer Geschäftsmodelle in ganz Europa.

      "Die Nutzerrechte kommen zu kurz", moniert der Bundesverband der Verbraucherzentralen (vzbv). "Eine gravierende Enttäuschung bleiben die zwingend erforderlich gewordenen Upload-Filter". Die grüne Netzpolitikerin Tabea Rößner beklagt, der Entwurf gleiche einer Großbaustelle.

      "Es wird wissentlich und willentlich über Exklusivrechte von Künstlern und ihren Partnern verfügt, in Märkte reinreguliert", empört sich dagegen Florian Drücke, Vorstandsvorsitzender des Bundesverbands Musikindustrie. Plattformen entlasse die Regierung "an vielen Stellen wieder aus der Haftung". Auch andere Verbände und Institutionen von Rechteinhabern verschiedener Branchen zeigten sich "bestürzt" über das Vorhaben, gegen das sie jüngst noch mit Brandbriefen an Regierungsmitglieder Sturm gelaufen waren.

      Quelle: Urheberrechtsreform: Bundesregierung billigt Upload-Filter und Sperrknopf | heise online
    • Urheberrecht: Bundesrat freundet sich mit Upload-Filtern an

      Die Länder haben keine Einwände gegen die von der Bundesregierung vorgesehenen "Zensurmaschinen", über die der Bundestag noch streitet.

      Der Bundesrat begrüßt, dass die Bundesregierung die Vorgaben der EU-Urheberrechtsrichtlinie "im Wesentlichen zufriedenstellend" in ihrer Initiative zur Umsetzung der Vorgaben aufgenommen hat. Trotz der "umfangreichen Diskussionen und der erschwerten Vereinbarkeit der betroffenen Interessen" sei es der Exekutive gelungen, einen "in den relevanten Punkten geeigneten und ausgewogenen Gesetzesentwurf vorzulegen". In einzelnen Bereichen enthalte dieser "durchaus zukunftsweisende Reformen".

      Der Wirtschaftsausschuss der Länderkammer wollte die mit dem Vorhaben verknüpften Upload-Filter als "falsches Instrument" gebrandmarkt wissen. Damit werde es nicht möglich, Rechteinhaber, Kreative und Verwerter von urheberrechtlich geschützten Werken auch im Internet angemessen zu vergüten. Der Bundesrat sollte die im Raum stehende "faktische Pflicht von Plattformen", die Sperrtechnik einzusetzen, als "unverhältnismäßig" kritisieren. Mit dieser Empfehlung fanden die Wirtschaftspolitiker im Plenum am Freitag aber keine Mehrheit.

      "Red Button" für Rechteinhaber
      Das im Regierungsentwurf gestutzte Konzept der Bagatellausnahmen für geringfügige, vergütungspflichtige Nutzungen von Schnipseln aus Video-, Audio- und Textmaterial für nichtkommerzielle Zwecke kritisieren die Länder in ihrer Stellungnahme nicht direkt. Sie bitten die Bundesregierung aber zu prüfen, ob es "praxistauglich" ausgestaltet sei.

      Rechteinhaber werden dem Plan nach einen "roten Knopf" erhalten, um unverzüglich vor allem "Premiuminhalte" blockieren zu können. Damit soll der Schaden in Grenzen gehalten werden, wenn ein Nutzer fälschlicherweise behauptet, ein Upload sei rechtlich zulässig.

      Bedenken bei außergerichtlicher Streitbeilegung
      Der Bundesrat sorgt sich hier, dass Rechteinhaber insbesondere bei einer Vielzahl gleichzeitiger Verfahren und zeitkritischen Inhalten wie Livestreams überfordert sein dürften, Erklärungen über mutmaßlich erlaubte Nutzungen ordnungsgemäß händisch zu prüfen. Dies könnte die Betroffenen daran hindern, ihre verfassungsrechtlich geschützten Verwertungsbefugnisse ungehindert auszuüben.

      Bedenken haben die Länder bei der vorgesehenen außergerichtlichen Streitbeilegung bei Auseinandersetzungen zwischen Urhebern, Verwertern und Nutzern. Sie wollen prüfen lassen, ob diese ausschließlich durch eine behördliche Schlichtungsinstanz als "zentrale Clearing-Stelle" erfolgen könne. Ein vollständiger Rückzug des Staates aus diesem Mechanismus erscheine im Zusammenhang mit Bedenken rund um ein strukturelles "Overblocking" nicht angezeigt.
      Bedingungen zugunsten von Wissenschaft, Lehre und Kultur

      An einigen Stellen hält das Gremium den Entwurf "mit Blick auf die Belange der Medien- und Kreativunternehmen" für verbesserungswürdig. So soll die Regierung umfassend ausloten, ob insgesamt bestehende Erlös- und Geschäftsmodelle von Urhebern und anderen Rechteinhabern in allen betroffenen Branchen wie Musik, Film, Hörfunk, Buch und Presse unverhältnismäßig beeinträchtigt werden.

      Sicherstellen will der Bundesrat einen Zugang zu urheberrechtlichen Schutzgegenständen zugunsten Wissenschaft, Lehre sowie Kultur zu angemessenen Bedingungen und in ausreichendem Umfang. So sollten Bildungseinrichtungen künftig bis zu 20 Prozent eines veröffentlichten Werkes vervielfältigen, verbreiten und öffentlich zugänglich machen dürfen, um den Unterricht zu veranschaulichen. Bisher liegt die Grenze bei 15 Prozent. Die Befristung dieser Intranetklausel sollte gestrichen werden. Auch das Limit beim elektronischen Versand von Kopien aus Fachzeitschriften sei zu erhöhen.
      Niemand will Uploadfilter einführen

      Wie sich in der Corona-Pandemie gezeigt habe, müsse zudem der digitale Zugang zu Schulfunksendungen erleichtert und langfristiger gestaltet werde. Die Länder bedauern ferner, dass es nicht gelungen sei, eine verlässliche Grundlage zur Leihe von E-Books durch öffentliche oder wissenschaftliche Bibliotheken zu schaffen. Er fordert dazu einen eigenen Paragrafen.

      Im Bundestag warfen alle Redner der Opposition fast parallel bei der 1. Lesung des Entwurfs der Bundesregierung und der Koalition vor, ihr wiederholt abgegebenes Versprechen klar gebrochen zu haben, Upload-Filter möglichst zu verhindern und "weitgehend unnötig" zu machen. "Nun wissen wir es besser: es werden Upload-Filter kommen", monierte Roman Müller-Böhm (FDP). Jeder hochgeladene Inhalt werde einem Generalverdacht unterstellt, die Kunst- und Meinungsfreiheit im Internet eingeschränkt.

      "Unsägliches Rumgeeier zum Artikel 17"
      Das Feigenblatt einer im EU-Rat zur Urheberrechtsrichtlinie abgegebenen Protokollerklärung habe nicht viel geändert, rügte die Linke Petra Sitte. Upload-Filter würden jetzt sogar erweitert eingesetzt, die Rechte der Kreativen nicht hinreichend gestärkt. Die Grüne Tabea Rößner warf Schwarz-Rot ein "unsägliches Rumgeeier zum Artikel 17" vor, in dem die vielfach befürchteten "Zensurmaschinen" angelegt sind. Gegenläufige Instrumente wie das "Pre-Flagging" habe die Regierung wieder eingedampft. So könnten die Internetgiganten mit ihren bereits bestehenden Filtersystemen ihre Marktmacht ausbauen.

      Die Exekutive habe die Bagatellgrenzen noch einmal heruntergeschraubt, beklagte Joana Cotar (AfD). Für einen Text etwa blieben nur noch 160 Zeichen. Schon der Name des Gesetzes sei länger. Selbst Memes seien "nicht mehr per se sicher". Die vorgesehene Durchleuchtung aller Uploads schränke die Meinungsfreiheit ein.

      Uploadfilter auf kleinen Portalen – kein Problem "mit ein wenig Software"
      Tankred Schipanski (CDU) räumte ein, dass die Konservativen ihr "Anliegen", Upload-Filter komplett unnötig zu machen, "nicht ganz" durchsetzen konnten. In der Protokollerklärung habe es aber auch nur geheißen, dass deren "Wirkung" weitgehend verhindert werden solle. Dies sehe der Entwurf vor, da ein Blockieren legaler Inhalte vermieden werde. Mit Bagatellausnahmen und Pre-Flagging werde die "erlaubte Nutzung von Inhalten" sichergestellt. Insgesamt leiste der Kompromiss einen bereits guten Interessensausgleich, der aber noch verbessert werden könne. "Kampfrhetorik" sei dabei aber fehl am Platz.

      Selbst ein kleines Portal schaffe es mit ein wenig Software, dem Anspruch der geforderten Rechteverwertung gerecht zu werden, ergänzte der CSU-Politiker Alexander Hoffmann. Die Crux liege bei den großen Plattformen wie YouTube. Dort erfolgten derzeit über 80 Prozent aller Uploads, die Betreiber lösten aber "nur einen marginalen Bruchteil der Lizenzrechte ab". Darauf müsse die Politik reagieren, denn "Urheberrechtsschutz ist Eigentumsschutz".

      Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) verteidigte die Vorlage als "längst überfälliges Update". Sie erinnerte daran, dass vor zwei Jahren viele Nutzer auf die Straße gegangen seien aus Sorge um die Meinungsfreiheit im Netz. Dank des "innovativen Konzepts" der "mutmaßlich erlaubten Nutzungen" dürften als erlaubt gekennzeichnete Inhalte im geringfügigen Maß nun nicht schon vorsorglich blockiert werden. Der SPD-Abgeordnete Florian Post betonte, dass die Koalition im weiteren Verfahren noch über den "Red Button" reden müsse.

      Quelle: Urheberrecht: Bundesrat freundet sich mit Upload-Filtern an | heise online