Satiremagazin: Titanic-App im Google Play Store gesperrt nach Zensurforderung

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    • Satiremagazin: Titanic-App im Google Play Store gesperrt nach Zensurforderung

      Google hat einige Heftmotive als "obszön" bezeichnet und fordert deren Löschung – das Satiremagazin wehrt sich und zieht alternative Vertriebswege in Betracht.

      Die Herausgeber der Titanic können zurzeit die digitale Ausgabe ihres Satiremagazins nicht mehr über die App im Play Store von Google ausliefern. Hintergrund ist eine Auseinandersetzung mit dem Tech-Konzern, der laut Titanic-Chefredaktion an mehreren Heftcovern Anstoß genommen hatte.

      Insbesondere die Dezemberausgabe 2020 sei bei Google wegen der als "obszön" bewerteten Darstellung eines sakralen Motivs (profanity) auf Ablehnung gestoßen: Auf dem Heftcover sind der Papst mit blankem Hinterteil, in dem ein Kruzifix steckt, sowie ein verärgerter (da auf den Herrgott eifersüchtiger) Jesus mit entblößten Geschlechtsteilen zu sehen. Das Cover ist eine Anspielung auf ein Titelbild des französischen Satiremagazins Charlie Hebdo, auf dem in einer ähnlichen Szene der türkische Premierminister zu sehen gewesen war.

      Antrag auf erneute Listung vorerst abgeschmettert
      Vor zwei Wochen, kurz vor Erscheinen der zweiten Ausgabe 2021, habe Google die App des Satiremagazins mit einem automatisch generierten Hinweis ohne Vorwarnung gesperrt, sagte die Titanic-Redaktion. Darauf sei dann die Forderung gefolgt, einige ältere Heftcover mit Darstellungen von Nacktheit und Sexualität zu löschen. Kurios sei dabei, dass die App der Titanic bereits seit 2014 im Store gelistet sei und durch die Zuordnung als Satire eigentlich eine Altersfreigabe von 12 Jahren hatte, erklärte Titanic-Chefredakteur Moritz Hürtgen gegenüber heise Online.

      Weiterhin im Store gelistet ist zum Beispiel das ostdeutsche Magazin Eulenspiegel mit ähnlich drastischen Titelbildern, das sogar ohne Altersbeschränkung verfügbar ist. Hürtgen zufolge hatte sein Magazin als Kompromisslösung einen Antrag auf Wiederzulassung als Erwachsenen-App mit der Altersfreigabe "ab 18" gestellt. Den Antrag habe Google jedoch am heutigen Montag abgeschmettert.

      "Verkniffener Humor von Monopolwichsern"
      Moritz Hürtgen bekräftigte auch, dass das Satiremagazin sich dem Druck aus dem Silicon Valley nicht beugen werde: "TITANIC wird sich nicht selbst zensieren, um dem verkniffenen Humor von Monopolwichsern in San Fernando Valley, äh: Silicon Valley gerecht zu werden." Man werde eher den Verlust digitaler Abonnements in Kauf nehmen und den Store dauerhaft verlassen, sollte Google die Titanic-App samt Motiven nicht wieder vollständig freischalten.

      In der Vergangenheit hatte es bereits ein Missverständnis mit dem App Store von Apple gegeben, das sich aber rasch klären ließ (die Sperre wurde aufgehoben, im App Store ist die Titanic-App auch weiterhin verfügbar). Bei Twitter war die leidgeprüfte Titanic ebenfalls einmal vorübergehend gesperrt gewesen.

      Alternative Lieferwege für Abonnenten
      Titanic hat eigenen Angaben nach gegen Googles Zensurforderung Einspruch eingelegt und erwägt nun auch, die eigene App dauerhaft aus dem Play Store zurückzuziehen. Abonnenten und Abonnentinnen werde man zwischenzeitlich "auf anderem Wege versorgen", heißt es auf der Titanic-Website.

      Die Redaktion der Titanic bietet derzeit Abonnenten die direkte Belieferung mit Print- und PDF-Ausgaben an. Da das Magazin laut Chefredakteur "keinen Zugriff auf die Kontaktdaten der "Play Store"-Abonnent/innen hat", sollen von der App-Sperre Betroffene sich per E-Mail melden. Weiterführende Hinweise lassen sich dem Eintrag im Titanic-Newsticker entnehmen. Wer das Satiremagazin in der Sache unterstützen möchte, kann weiterhin ein klassisches Printabo abschließen.

      Die Techkonzerne und die Zensur
      Der Vorfall ruft Zensurentscheidungen etwa bei Facebook in Erinnerung, wo im Januar der Beschwerderat vier von fünf beanstandeten Sperren nach einer Überprüfung rückgängig machen ließ. Ein ohne Kontext auf Englisch gepostetes Goebbels-Zitat (das nicht als Satire diente), falsche Heilsversprechen zu COVID-19 und die Darstellung nackter Brüste im Zuge einer Brustkrebs-Kampagne galten danach wieder als zulässig.

      In der Vergangenheit hatten stillende Mütter erfolgreich gegen das Löschen ihrer Bilder bei Facebook protestiert. Im Zuge des "Brust-Puritanismus" war auch der Facebook-Auftritt des ZDF aufgrund eines medizinischen Bildes damals vorübergehend gesperrt worden. In einem aktuellen Bericht kritisiert Amnesty International Facebook und Google dafür, sich an der Unterdrückung von Menschen und Meinungen zu beteiligen.

      Quelle: Satiremagazin: Titanic-App im Google Play Store gesperrt nach Zensurforderung | heise online
    • Zensurstreit beigelegt: Google entschuldigt sich bei "Titanic"-Magazin

      Mit einer "Sorrykatur" hat sich der Konzern für die Sperrung des Satiremagazins im Google Play Store entschuldigt. Die "Titanic"-App ist nun wieder gelistet.

      Wie die Redaktion der Titanic mitteilt, ist die von Google verhängte Sperre des deutschen Satiremagazins im Play Store jetzt aufgehoben und die Heft-App wieder uneingeschränkt verfügbar. Google hatte vor rund drei Wochen Zensurmaßnahmen bei einigen Titelmotiven verlangt und die "Titanic"-App offenbar ohne Ankündigung aus dem Play Store verbannt, um die Forderung durchzusetzen. Als Kompromiss ist die App neuerdings mit der Altersfreigabe "ab 18" belegt.

      "Titanic"-Redaktion kontert mit Humor
      Mit einem Augenzwinkern kommentiert Chefredakteur Moritz Hürtgen: "Wir vermuten, dass sich Google eine längere Sperre für TITANIC schlicht nicht mehr leisten konnte." Seine Redaktion hatte angekündigt, dem Druck aus dem Silicon Valley nicht nachzugeben und hatte damit begonnen, Abonnenten zum Beispiel per PDF zu beliefern. Zunächst hatte Google vor rund einer Woche einen Antrag auf die Wiederlistung als Erwachsenen-App noch abgewiesen, wie Hürtgen damals Heise Online gesagt hatte.

      David gegen Goliath
      Der Fall hatte in deutschen Medien Wellen geschlagen und eine Debatte ausgelöst, was Satire darf und wie sich Grundrechte wie die Pressefreiheit gegenüber der Marktmacht global agierender Konzerne heutzutage behaupten lassen. Im App Store von Apple war das Satiremagazin ununterbrochen greifbar gewesen, andere Satire-Angebote hatte Google im selben Zeitraum nicht gesperrt. Mittlerweile hat der US-Konzern eingelenkt und sich per Karikatur bei der Titanic-Redaktion entschuldigt. Man wollte sich bei der Titanic und deren Lesern "aufrichtig dafür entschuldigen, dass die App zwischenzeitlich nicht verfügbar war. Auch wir finden: Humor und Satire dürfen nicht untergehen – schon gar nicht in Deutschland", sagte Alexander Bressel, der Sprecher von Google Germany, laut Frankfurter Allgemeiner Zeitung.


      Google entschuldigt sich per Karikatur beim Satiremagazin "Titanic" für die vorübergehende Sperre im Play Store, gezeichnet von Bulo.

      Geld und Moral
      Kurz vor Erscheinen der zweiten Ausgabe 2021 hatte Google die "Titanic"-App mit einem automatisch generierten Hinweis gesperrt, sagte die Titanic-Redaktion auf Nachfrage von Heise Online. Es seien Forderungen gefolgt, weitere gemäß Google "anstößige" Heftmotive zu entfernen. Konkret lautete der Vorwurf im Falle der Dezemberausgabe 2020 "Gotteslästerung" (profanity), andere ältere Coverbilder stuften die Prüfer des Konzerns offenbar als pornographisch ein, ohne den Kontext der Satire zu berücksichtigen.

      Kurioserweise war die "Titanic"-App jedoch bereits seit 2014 ohne Auflagen im Store gelistet gewesen und blieb durch die Zuordnung als Satiremagazin bislang vor Zensur geschützt. Moritz Hürtgen zufolge hatte Google sich auf den Kompromissvorschlag, die App mit höherer Altersfreigabe zu versehen, zunächst nicht eingelassen. Zugleich waren jedoch Apps vergleichbarer Magazine mit teils umstrittenen Covermotiven (wie vom französischen Satiremagazin Charlie Hebdo) weiterhin unzensiert gelistet.

      "Googles Aktivitäten weiterhin kritisch beobachten"
      Aus Protest hatte die Titanic-Redaktion erklärt, lieber auf Digitalabonnenten zu verzichten als den Zensurforderungen nachzugeben. Da die Kontaktdaten von Abonnenten der Play-Store-App jedoch nur Google bekannt sind, ist dem Satiremagazin bereits durch die dreiwöchige Sperre wohl ein großer wirtschaftlicher Schaden entstanden, wie der Chefredakteur gegenüber netzpolitik.org eingestand. Er appellierte an die "Leser/innen, ein klassisches TITANIC-Abonnement abzuschließen oder wenigstens Geldscheine an unsere Redaktionsadresse zu schicken".

      Die "Titanic"-App ist Hürtgen zufolge nun im Play Store zunächst nur für Volljährige freigegeben, was ihn aber nach eigenen Angaben nicht sonderlich stört: "Ich finde schon aus pädagogischen Gründen, dass Jugendliche unter 18 Jahren gar kein Smartphone oder Tablet besitzen sollten". Dem Interview zufolge laufen zur Alterseinstufung offenbar noch Gespräche mit Google. Entschuldigung und glimpflicher Ausgang hin oder her, man werde "Googles Aktivitäten weiterhin genau und kritisch beobachten", heißt es auf der Titanic-Website.

      Quelle: Zensurstreit beigelegt: Google entschuldigt sich bei "Titanic"-Magazin | heise online