Eine Betrachtung amerikanischer Außenpolitik gegenüber dem Iran am Beispiel Chevrolet
Kommentar
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Am 11. Oktober erschien in der New York Times ein Bericht über einen vereitelten Anschlag in den USA, geplant von der iranischen Regierung mit dem Ziel einen saudischen Botschafter zu töten.
Auf Spiegel Online ist eine recht detaillierte Chronologie zu finden. Inwieweit diese korrekt und vollständig ist, ist momentan noch nicht sicher.
Bereits während der Bekanntgabe des Falls wurde vom zuständigen Beamten erklärt, dass hohe Offizielle der Iranischen Regierung für diesen Anschlag verantwortlich sein. Dennoch gab es auch einige Bedenken gegen diese Aussage, beispielsweise da sie sich vor allem auf die Angaben des Inhafttierten sowie ein iranisches Bankkonto stützt.
Etwatige Gegeneinwände, wie das al-Quds-Brigaden gewöhnlich weitaus professioneller vorgehen, der Angeklagte zu einem derartigen Plan nicht in der Lage wäre, ein iranische Drogenkartell hinter dem Plan steckt oder eine saudische Beteiligung möglich sei wurden von offizieller Seite kaum beachtet. Einige Einwände sind hier zu finden:
How strong is the case against Iran plot suspect? - CNN.com
Is an Iranian Drug Cartel Behind the Assassination Plot against the Saudi Ambassador? | Informed Comment
[url=http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,791745,00.html]Attentatsplan in den USA: "Scarface" nährt Zweifel an US-Terrortheorie - SPIEGEL ONLINE - Nachrichten - Politik[/url]
Ein Plot namens Chevrolet | Telepolis
Der Plot Chevrolet - nur eine Mitfahrgelegenheit für einen Loser? | Telepolis
Alleged Iran plot could have been trigger for war in Middle East | World news | The Guardian
Innerhalb von Stunden kam es zu zahlreichen Aussagen von hochrangigen US-Politikern wie Clinton und Obama. Der Anschlag wurde aufs schärfste verurteilt, die iranische Verwicklung wurde als gesichert angegeben und mehrmals bestätigt, es wird von Sanktionen, auch seitens des UN Sicherheitsrates, gesprochen sowie davon, dass alle Optionen offen gehalten werden.
Mit den Anschlägen wurde öfters eine iranische Atombombe in das Gespräch gebracht:
Clinton and other U.S. officials said the alleged plot is a gross violation of international law and further proof that Iran is the world's leading state sponsor of terrorism, a label Washington has for decades applied to the Iranian government. The officials said it also underscores concerns that despite its denials Iran is trying to develop nuclear weapons under cover of a civilian atomic energy program.
Quelle: US aims to punish Iran for Saudi envoy plot - CBS News
Während sich die Zweifel an dem von der USA dargelegten Szenario vermehren, bekräftige Obama soeben seine Anschuldigungen und sein Bestreben in dieser Sache alles notwendige zu unternehmen, unter anderem war von "härtesten Sanktionen" die Rede.
Aufgrund der unzureichenden Faktenlage ist es momentan sehr schwer sich ein differenziertes Bild der Lage zu machen. Weder sind die Details der Ermittlungen ausführlich bekannt, noch liegen weitere Informationen über andere Beteiligte vor.
Dennoch lassen sich in den Medien nicht nur Bestätigungen dieser Fakten (v.a. Seitens der amerikanischen Regierung) sondern auch zahlreiche Zweifel (v.a. durch Ermittlungsbeamte, außenstehende Personen,...) finden. Einige der Zweifel sind, in meinen Augen, durchaus angebracht und müssten geklärt werden, bevor derart schwere Vorwürfe (insbesondere zweifelsfrei) ausgesprochen werden dürfen.
Geht man von einer Planung des Anschlags seitens des Iran aus, so würde man zu folgenden Konsequenzen kommen:
- Die Tötung des saudischen Botschafters ist für den Iran von immenser Bedeutung.
- Die Gefahr eines Krieges mit den USA und Saudi Arabien würde bewusst in Kauf genommen oder provoziert werden. Zumindest muss in jedem Fall mit Sanktionen gerechnet werden.
Ersteres ist bisherigem Kenntnisstand eher unwahrscheinlich. Eine derartige Bedeutung wäre nur dann gegeben, wenn der saudische Botschafter dem Iran erheblichen Schaden zufügen könnte (bspw durch die Enttarnung eines Agentennetzwerkes oder durch den Besitz fundamentaler Informationen).
Zweiteres wäre in meinen Augen ebenfalls unwahrscheinlich. Wenngleich zwischen dem Iran und Saudi-Arabien sowie der USA eine (tiefe) Feindschaft bestehen, unter anderem aus religiösen Gründen und aufgrund der Hegemonialbestrebungen aller drei Länder im Nahen Osten, würde ein derartiger Krieg für den Iran ziemlich sicher das Ende bedeuten. Zwar würden Saudi Arabien und die USA das Land vermutlich nicht einnehmen können, aber diese beiden könnten dem Iran weit stärker zusetzen als der Irak im irakisch-iranischem Krieg. Ein derartiges Szenario scheint deshalb ziemlich unplausibel.
Somit gibt es nicht nur Zweifel beim geschilderten Tatablauf sondern auch beim Motiv.
Vergleicht man das derzeitige außenpolitische Verhalten der USA mit ähnlichen Konstellaionen und in der kürzeren Vergangenheit so fallen folgende Beispiele ein:
- Veröffentlichung von Beweisen über die Beteiligung anderer Staaten an Terrorakten
Prominentestes Beispiels dürfte Colin Powells Rede vor dem UN Sicherheitsrat über Massenvernichtungswaffen im Irak sein. Aufgrund zahlreicher Aussagen ist der Fall inzwischen recht gut bekannt, unter anderem dass vor dem Auftritt den Amerikanern bewusst war dass die Geheimdienstinformationen nichts taugen.
- Sanktionen im UN Sicherheitsrat
Zwei gegenwärtige Beispiele sind durch die Aufstände in Libyen und in Syrien gegeben. Während für Libyen innerhalb von Tagen aufgrund recht zweifelhafter Anschuldigungen, die bis heute größtenteils noch nicht gesichert sind, eine Resolution durchgewinkt wurde, die Angriffe auf das Land erlaubte, kam es bei Syrien auch nach mehreren Monaten zu keiner Resolution; auch jetzt sind keine ernsthaften Bestrebungen diesbezüglich erkennbar.
Gegenüber dem Iran sollen nun neue Sanktionen eingebracht werden, begründet werden diese mit der Verletzung internationalen Rechts und kriegerischen Akten.
- Verletzung internationalen Rechts
Auch hierfür bieten sich zahlreiche Beispiele jüngster Zeit. Neben den zahlreichen Verstößen in Libyen (Einsatz von Bodentruppen, Unterstützen der Rebellen durch die Luftwaffe, Jagd auf Gaddafi, Genoziden, und zahlreichen Vertragsabschlüssen in der Grau- und tiefen Schwarzzone wären hier insbesondere die zahlreichen Drohnen-Angriffe in Afghanistan, Pakistan und mehreren afrikanischen Ländern zu nennen, die nicht nur gegen internationales Recht sondern auch gegen die Menschenrechte selbst verstoßen. Prominentestes und diesem Fall gar nicht so weit entferntes Beispiel dürfte die Ermordnung Osama bin Ladens sein. Zu diesem Zweck drang ein amerikanisches Elitekommando schwer bewaffnet in ein fremdes Land ein, obwohl ihm dieses verboten wurde und tötete einen Menschen, der von keinem Gericht eine Todesstrafe erhielt.
In keinem der Fällen kam es zu einer Verurteilung oder gar zu Sanktionen seitens des UN Sicherheitsrates.
Insgesamt ist somit eine größere Disparität feststellbar. Das derzeitige Verhalten der USA scheint somit weniger auf den Handlungen selbst als mehr auf anderen Gründen zu beruhen.
Welche dies sind, bleibt zu spekulieren. Neben einem Wahlkampf wären hier unter anderem wirtschaftliche Interessen und Ambitionen im Nahen Osten denkbar.
Es bleibt spannend wie sich das ganze weiterentwickeln wird.
Kommentare und Antworten sind erwünscht. Allerdings bitte keine:
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- usw
Ich hoffe dass derartige Posts schnell und rigoros von den Mods gelöscht werden.
Grüße
neo