Sie hat keinen Computer, sie hat kein W-Lan - trotzdem muss eine Rentnerin mit kombiniertem Telefon- und Internetanschluss für eine Raubkopie zahlen. Das Amtsgericht München hat entschieden, dass die Frau die Kosten einer Abmahnung zu tragen habe, weil sie einen Hooligan-Film über ein Tauschnetzwerk angeboten haben soll. Macht 651,80 Euro.
Aufgespürt wurde die angebliche Raubkopiererin mit Hilfe eines Programms namens "File-Watch". Mit dem durchforsten private Ermittler im Auftrag von Rechteinhabern Datei-Tauschnetzwerke. Finden sie ein Werk zum Download, wird das protokolliert, der Zeitpunkt und die IP-Adresse der beteiligten Rechner festgehalten. Die Provider können anhand dieser IP-Adresse, wenn alles richtig funktioniert, einen Nutzer ermitteln. Wie lange diese Daten noch zugeordnet werden können, unterscheidet sich von Provider zu Provider. In diesem Fall gab es offenbar einen Treffer: Die Software der ermittelnden Firma schlug an, die IP-Adresse führte zu der Adresse der Rentnerin. Zum fraglichen Zeitpunkt, an einem Morgen im Januar 2010 um kurz nach neun Uhr, hat die Beklagte aber nach eigenen Angaben geschlafen. Einen Computer besaß sie damals nach eigenen Angaben seit einem halben Jahr nicht mehr - und auch keinen Router, der ein W-Lan oder einen Internet-Anschluss für jemanden anderen hätte bereitstellen können. Die pflegebedürftige Frau hat noch nicht einmal eine E-Mailadresse.
"Ob die Dame einen Router besitzt, war für das Gericht nicht entscheidend"
Trotzdem soll sie über das "eDonkey2000"-Netzwerk einen Film heruntergeladen haben. Etwas mit Hooligans, mit extremen Gewaltszenen.
Doch diese merkwürdigen Hintergründe interessierten das Gericht wenig, erklärt Rechtsanwältin Jennifer Hannemann. Sie vertritt die Rentnerin. "Das Gericht geht davon aus, dass die IP-Ermittlung korrekt verlaufen ist", sagt Hannemann. "Ob die Dame überhaupt einen W-Lan-fähigen Router besitzt, war für das Gericht aber letztlich auch nicht entscheidend."
Grundsätzlich haften Anschlussinhaber dafür, was über ihren Internetanschluss passiert. Lädt jemand anderes einen Film herunter, muss der Kunde deutlich machen, dass er Vorkehrungen gegen einen Missbrauch seines Anschlusses getroffen hat - dazu gehört beispielsweise die Verschlüsselung des W-Lans. Wurde das versäumt oder konnten Eltern ihre Kinder nicht vom Raubkopieren abhalten, greift die sogenannte Störerhaftung: Der Anschlussinhaber zahlt, mindestens die Abmahnkosten, manchmal auch noch Schadensersatz.
Das Gericht geht zwar nicht davon aus, dass die Dame selber den Film heruntergeladen hat. Dass über ihren Internetanschluss eine Raubkopie heruntergeladen und dabei gleichzeitig für andere Nutzer des Netzwerks bereitgestellt wurde, hingegen schon. Doch wenn es nicht die alte Dame war, wer dann? Die Beklagte schließt eine Fremdnutzung ihres Internet-Anschlusses aus. "Sie hat kein W-Lan und keinen Router, nur einen DSL-Splitter", so ihre Anwältin. Um trotzdem ins Internet zu gehen, hätte irgendein internetfähiges Gerät angeschlossen werden müssen. Das aber soll es zum fraglichen Zeitpunkt in der Wohnung der Beklagten gar nicht gegeben haben.
Haben die privaten Ermittler eine falsche IP-Adresse ermittelt? Hat der Provider eine falsche Zuordnung von Nutzer zu IP-Adresse vorgenommen? Fragen, die nicht näher untersucht wurden. Schuldig bis zum Beweis des Gegenteils scheint in diesem Filesharing-Verfahren zu gelten. Als Betroffener einer Filesharing-Abmahnung habe man praktisch keine Chance, sich gegen eine Klage auf Erstattung der mit der Abmahnung verbundenen Anwaltskosten zur Wehr zu setzen, kommentiert Rechtsanwalt Thomas Stadler das Urteil.
Die Rentnerin muss die Abmahnkosten in Höhe von 651,80 zahlen, Schadensersatz jedoch nicht. Weil das Gericht das alles nicht so genau wissen wollte, reichte schon das Vorhandensein eines Internetanschlusses zusammen mit der IP-Ermittlung, um die computerlose Rentnerin abzumahnen. Die Frau überlegt nun, ob sie das Urteil anfechten wird.
Dazu fällt einem nix mehr ein ausser:
• Da, wo die Neurosen blüh'n, da möcht' ich Landschaftsgärtner sein! •
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