Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in einer von Rasch Rechtsanwälte erstrittenen Entscheidung (Az. I ZR 48/15 – Everytime we touch) die Voraussetzungen der Haftung des Anschlussinhabers in Fällen von „Filesharing“ weiter präzisiert. Dabei geht er sowohl auf die Frage der Verjährung von Schadensersatzansprüchen der Rechteinhaber ein, als auch auf die Frage ob bzw. wie ein Anschlussinhaber sich entlasten kann:
10 Jahre Verjährung für Lizenzschaden in Filesharing-Fällen aus ungerechtfertigter Bereicherung (statt bisher drei Jahre) – es ist eine fiktive Lizenz anzusetzen
In dem Fall wurde hinsichtlich eines Musiktitels („Everytime we touch“) der Schadensersatzanspruch erst nach Ablauf der 3-jährigen Verjährungsfrist (§ 102 Satz 1 UrhG, § 195 BGB) geltend gemacht. Der BGH stellt insofern klar, dass der Klägerin einen Anspruch auf Zahlung eines Lizenzschadens als „Restschadensersatzanspruch“ zustand, der nach § 102 Satz 2 UrhG in Verbindung mit § 852 BGB erst nach 10 Jahren verjährt. Ausdrücklich erteilt der BGH der anderslautenden Auffassung einiger Instanzgerichte (LG Bielefeld, AG Düsseldorf, LG Frankenthal, AG Kassel, AG Hannover, AG Koblenz, AG Braunschweig, AG Nürtingen, AG Charlottenburg, AG Bochumm AG Nürnberg) eine Absage:
„Der Beklagte hat durch die Verletzung des Rechts zum öffentlichen Zugänglichmachen der Datei mit dem urheberrechtlich geschützten Musiktitel auf Kosten des Rechteinhabers etwas im Sinne von § 102 Satz 2 UrhG erlangt. Er hat durch das Bereithalten dieses Titels zum Download über eine Internettauschbörse in den Zuweisungsgehalt des der früheren Klägerin zu 2 zustehenden Rechts eingegriffen und sich damit auf deren Kosten den Gebrauch dieses Rechte ohne rechtlichen Grund verschafft. Da die Herausgabe des Erlangten wegen seiner Beschaffenheit nicht möglich ist, weil der Gebrauch eines Rechts seiner Natur nach nicht herausgegeben werden kann, ist nach § 818 Abs. 2 BGB der Wert zu ersetzen. Der objektive Gegenwert für den Gebrauch eines Immaterialgüterrechts besteht in der angemessenen Lizenzgebühr. (…) Entgegen einer in der Instanzrechtsprechung vertretenen Ansicht (…) gelten diese Grundsätze auch für das widerrechtliche öffentliche Zugänglichmachen eines urheberrechtlich geschützten Werkes durch Bereitstellen zum Herunterladen über eine Internettauschbörse."
Fazit:
Der Restschadensersatzanspruch aus § 102 Satz 2 UrhG, § 852 BGB, der sich auf die Herausgabe des durch den rechtswidrigen Eingriff Erlangten erstreckt, kann in Fällen des widerrechtlichen öffentlichen Zugänglichmachens eines urheberrechtlich geschützten Werks über eine Internettauschbörse mittels einer fiktiven Lizenz berechnet werden.
Der BGH hat somit entschieden, dass hinsichtlich des Lizenzschadens in Filesharing-Fällen auch ein Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung besteht und dieser der 10-jährigen Verjährung unterliegt. Damit dürften nun wieder zahlreiche Altfälle die Gerichte beschäftigen.
Ausmaß der sekundären Beweislast – keine Privat-Polizei, aber substantiierter Vortrag
Ein klassischer Streitpunkt in Filesharingprozessen ist regelmäßig die Frage, inwiefern ein abgemahnter Anschlussinhaber auf Dritte verweisen kann, die ebenfalls für die vorgeworfene Urheberrechtsverletzung infrage kommen, und in welchem Ausmaß hierzu vorgetragen werden muss.
Einige Gerichte haben bereits in der Vergangenheit von Anschlussinhabern verlangt, diese müssten alle Rechner auf Filesharingsoftware untersuchen, die Betreffenden Mitbewohner, Nachbarn und Freunde zum Fall verhören und quasi dem Abmahner den richtigen Täter liefern. Kürzlich hatte der BGH entschieden, dass einem Abmahnopfer, das seiner Haftung entgehen will, keine ganz so weitgehende Ermittlungen anstellen muss, wir haben über den Fall berichtet.
Doch in einer neuen Entscheidung stellt der BGH nun klar, dass das Urteil selbst in einem ähnlich gelagerten Fall zumindest in Haftungsfragen auch völlig anders ausfallen kann:
Im vorliegenden Fall hatte der Beklagte vorgetragen, sein Anschluss werde nicht nur von ihm selbst, sondern auch von seiner Ehefrau und den damals 15- und 17-jährigen Kindern genutzt. Er sei zur Tatzeit gar nicht zu Hause gewesen, zudem hätte die Musik nicht seinem Geschmack entsprochen.
Das Landgericht Köln (LG) hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung führte es aus, es spreche zwar eine tatsächliche Vermutung für die Täterschaft des Anschlussinhabers, diese hätte der Beklagte aber widerlegt, da eine Täterschaft eines seiner Kinder in Betracht komme. Das Oberlandesgericht Köln (OLG) hat den Beklagten zur Zahlung von EUR 4.200,40 verurteilt, nachdem es eine Beweisaufnahme durchgeführt hatte. Anders als das LG hielt das OLG es für ausgeschlossen, dass eines der Kinder die Rechtsverletzungen ohne das Wissen des Beklagten begangen habe.
Der BGH ist den Ausführungen des OLG gefolgt und gibt den Instanzgerichten, die zu den Anforderungen an die Widerlegung der tatsächlichen Vermutung die unterschiedlichsten Auffassungen vertreten haben, folgende Vorgaben:
"Eine die tatsächliche Vermutung ausschließende Nutzungsmöglichkeit Dritter ist anzunehmen, wenn der Internetanschluss zum Verletzungszeitpunkt nicht hinreichend gesichert war oder bewusst anderen Personen zur Nutzung überlassen wurde. In solchen Fällen trifft den Inhaber des Internetanschlusses jedoch eine sekundäre Darlegungslast. (…) Der Anschlussinhaber genügt seiner sekundären Darlegungslast vielmehr dadurch, dass er dazu vorträgt, ob andere Personen und gegebenenfalls welche anderen Personen selbständigen Zugang zu seinem Internetanschluss hatten und als Täter der Rechtsverletzung in Betracht kommen. In diesem Umfang ist der Anschlussinhaber allerdings im Rahmen des Zumutbaren zu Nachforschungen sowie zur Mitteilung verpflichtet, welche Kenntnisse er dabei über die Umstände einer eventuellen Rechtsverletzung gewonnen hat. Die pauschale Behauptung der bloß theoretischen Möglichkeit des Zugriffs von im Haushalt des Beklagten lebenden Dritten auf seinen Internetanschluss wird den an die Erfüllung der sekundären Darlegungslast zu stellenden Anforderungen daher nicht gerecht.“
Fazit:
In diesem Zusammenhang stellt der BGH auch klar, dass die tatsächliche Vermutung der Täterschaft des Anschlussinhabers auch dann greift, wenn es sich um einen „Familienanschluss“ handelt, der regelmäßig von mehreren Personen genutzt wird. Der Inhaber des Internetanschlusses wird der ihn treffenden sekundären Darlegungslast erst dann gerecht, „wenn er nachvollziehbar vorträgt, welche Personen mit Rücksicht auf Nutzerverhalten, Kenntnisse und Fähigkeiten sowie in zeitlicher Hinsicht Gelegenheit hatten, die fragliche Verletzungshandlung ohne Wissen und Zutun des Anschlussinhabers zu begehen“.Der BGH stellt des weiteren klar, dass weder die behauptete Ortsabwesenheit des Beklagten, noch die fehlende Übereinstimmung mit seinem Musikgeschmack der tatsächlichen Vermutung entgegenstehen. Es verbleit damit bei der tatsächlichen Vermutung der Täterschaft des Anschlussinhabers, der dann auf Unterlassung, Schadens- und Kostenersatz haftet.
Quelle: tarnkappe.info/bgh-thema-filesharing/