Im Kampf um die Krone der First-Person-Actionspiele gehen die alten Konkurrenten Battlefield und Call of Duty extrem unterschiedliche Wege. Während die schwedischen Strategen mit Battlefield 1 den Sprung in die Vergangenheit wagten, setzt der Titelverteidiger stur seinen Weg in die Zukunft fort. Schon "Advanced Warfare" ließ Mensch und Maschine dank Exoskelett verschmelzen, was Rennen an Wänden und hohe Sprünge möglich machte. "Infinite Warfare" bietet nun im wahrsten Wortsinn Gameplay ohne Bodenhaftung.
Der Solo-Player: Mars Attacks
In nicht zu naher Zukunft sind die Ressourcen der Erde erschöpft. Kolonien auf anderen Planeten müssen die Heimat versorgen. Doch die marsianische Siedlungsdefensivfront SDF hat darauf keine Lust mehr – und erklärt unter dem Motto "Mars in aeternum" der Erde den Krieg. Eine grausame Attacke auf das festliche Brüssel ruft die vereinten Erdstreitkräfte auf den Plan. Unter Anleitung des frisch zum Captain beförderten Lt. Reyes rückt die multinationale Truppe den Marsmenschen auf den Pelz. Dabei zeigt sich, dass Reyes sein Offizierspatent anscheinend an der James T. Kirk-Akademie erworben hat: anstatt den Krieg von der Brücke aus zu koordinieren, ist er bei allen Außenmissionen an vorderster Front mit dabei.
Jon Snow und E3N
Auch wenn Story und Setting stellenweise arg an das TV-Reboot von "Battlestar Galactica" erinnern, machen die Akteure ihre Sache gut. Nach Kevin Spacey darf nun Kit Harrington den Bösen geben. Bekannt als der beliebte Bastard Jon Snow aus "Game of Thrones", gibt der Brite einen guten Schurken ab – auch wenn er nur wenige Auftritte hat. An der Seite der Terraner kämpft außerdem der höchst menschliche Kampfroboter E3N, "Ethan" genannt. Während vor allem in den "Black Ops"-Teilen der Reihe ein großes Misstrauen gegen autonome Maschinen mitschwang, haben Freund wie Feind hier kaum Berührungsängste.
Völlig losgelöst
"Infinite Warfare" nutzt sein Weltraum-Setting sehr gut aus. Missionen finden etwa an der Außenwand von Kriegsschiffen in völliger Schwerelosigkeit statt, zerschossene Fenster saugen feindliche Schwadronen ins All, und neben Menschen bieten allerlei mechanische Gegner den Terranern Paroli. Mit Hilfe neuer Hacksysteme lassen sich gegnerische Kampfbots kontrollieren, die so plötzlich ihre Kameraden attackieren und für Chaos sorgen. Besonders gemein sind auch die Antigravitationsgranaten, die Feinde hilflos in der Luft baumeln lassen. Neben den Verteidigungs-, Schleich- und Entermissionen sorgen Flugpassagen für Abwechslung. Ob als Pilot oder Kanonier, die kurzen Gefechte sind auch für unerfahrene Flieger zu meistern und bedeutend gnädiger als etwa in der Battlefield-Reihe.
Die Qual der Wahl
Im Kern ist das Gameplay gleich geblieben. Trotz des futuristischen Settings fühlt sich auch das neue Spiel sehr nach Call of Duty an. Die meisten Waffen sind leicht veränderte Varianten bekannter Gewehre wie der AK 47 und der AR 15. Leider gibt es keinen Schießstand, an dem man vor Missionsantritt die Wirkung neuer Waffen testen kann. So muss man wieder im Feld die Projektil- und Energiewaffen aufsammeln und austesten, ehe man seinen Liebling gefunden hat. Sich wieder aufladende Gesundheit ist ebenso ein Grundstein wie die großzügig verteilten Möglichkeiten der Deckung. Erhält man seinen Kampfanzug, werden auch ungewöhnlichere Bewegungen wie Düsensprünge und der Lauf an Wänden möglich. Dabei sollte man sich aber nie zu weit von den KI-gesteuerten Kameraden weg bewegen, denn die Gegnerhorden sind gnadenlos.
Iron Men
Der Mehrspieler-Modus hat vier Sondereinheiten der Erdstreitkräfte als Helden, unter deren Ausrüstung man wählen muss. Die martialischen Kampfpanzer kommen mit besonderen Waffen wie dem "Strahlendrachen", der mit seinem Energiestoß mehrere Gegner gleichzeitig unter Feuer nehmen kann. Viele Modi lassen sich auf den großen, verwinkelten Karten spielen, unter anderem Herrschaft, Terminal 24/7, Waffenspiel und Bodenkrieg.
Für Freunde der besonderen Herausforderung gibt es auch wieder einen Hardcore-Modus. Zum Start war leider das Matchmaking höchst unzuverlässig. Im Schnitt musste man sich achtmal anstellen, ehe endlich eine Partie zustande kam. Die Kämpfe sechs gegen sechs waren gewohnt flott und nervenaufreibend. Puristen werden allerdings zu Recht bemängeln, dass man sich vielfach eher vorkommt wie bei Halo als bei Call of Duty.
Geschichten aus der Gruft
Auch der beliebte Zombie-Modus ist wieder dabei, diesmal gekleidet in eine ironische Cartoon-Geschichte: vier hoffnungsfrohe Jungschauspieler werden von einem legendären Horrorregisseur zum Casting gebeten – nur um in einem Freizeitpark voll Zombies zu enden. Als Single- oder Multiplayer lässt sich das makabre Verteidigungsszenario spielen, bei dem man wieder Punkte gegen Waffen eintauschen kann und fleißig Barrikaden errichtet.
Auch wenn man als Fan der "Call of Duty"-Reihe den Zeiten nachtrauert, als reale irdische Konflikte das Setting lieferten – "Infinite Warfare" bleibt in zentralen Punkten der Reihe treu. Fantastische Grafik, perfekte Mechanik und abwechslungsreiches Gameplay begeistern fast wider Willen. Die Fülle an Waffen, Taktiken und Spielmodi erfreuen das Herz des Shooter-Fans und versöhnen etwas mit dem Zukunfts-Setting. Nur das Matchmaking muss definitiv verbessert werden.
Quelle: Call of Duty – Infinite Warfare angespielt: Nervenaufreibende Kämpfe im All | heise online