Finde ihn auch recht interessant und so manches stimmt einfach.
Ich finde rechts zu sein, ist inzwischen ein Trend geworden, den ich bei uns hier in der Gegend auch beobachten kann.
Was denkt ihr?
Der Flerführer
Deutschlands härteste Rapper suchen ein neues Tabu - im Flirt mit Nazisymbolen haben sie es gefunden. Allen voran: ein Berliner Heimkind namens Fler, dessen Album "Neue Deutsche Welle" bis auf Platz 5 der hiesigen Charts kletterte. Die Rechten sind begeistert. Wir schon wieder nicht.
Fler ist der Böhse Onkel des HipHop. Ein Türöffner. Ein Verführer mit völkischem Gedankengut. Er redet schnell, aber nur Müll. "Hitler und Goebbels? Ist mir scheißegal, was die gesagt haben. Ich hab im Geschichtsunterricht nie aufgepasst." Das diktierte der tumbe 23-Jährige der Welt in den Block.
Doch ein Nazi ist er nicht, eher ein Nazi-Darsteller. Fler in die Nähe der NPD rücken zu wollen, ist Unsinn. Genauso unsinnig ist es aber, immer so zu tun, als sei das alles nicht ernst gemeint, was diese Leute von sich geben. Denn das ist schlimm. In seinem Video zu "NDW 2005" rappt er Zeilen wie "Schwarz, rot, gold/Hart und stolz". Und das nicht nur schlecht, sondern auch zur Musik von Falcos "Rock me Amadeus". Er trägt einen Baseballschläger, ständig flattert irgendwo die Deutschlandfahne im Wind, am Schluss setzt sich ein Adler auf seinen Arm. Single und Album sind in Fraktur beschriftet. Der sich aufs Veröffentlichungsdatum beziehende Werbespruch "Ab 1. Mai wird zurückgeschossen" wurde vom Fler-Label Aggro Berlin letztlich doch nicht abgefeuert. Offenbar gibt es noch Grenzen.
Irgendwie passt so einer in die derzeitige Landschaft. Wer es noch nicht gemerkt hat: HipHop, erst recht der hiesige, ist in letzter Zeit schwer verkommen. u_magazine-Redakteur Matthias Wagner hatte ihn sich in der letzten Ausgabe mal richtig vorgenommen, woraufhin ihn viele Fans wahlweise aufknüpfen oder feuern wollten - was den Kollegen gefreut hat. Nerv getroffen. Doch prompt kam es noch schlimmer. Der deutsche HipHop flirtet mit Fascho-Ästhetik - siehe Fler. Und wenn man nachhakt, heißt es wieder: "Ist doch nur Spaß."
Nein, ist es nicht. Aber auch die Amerikaner, Erfinder des HipHop, machen es nicht besser. Kriminelle wie 50 Cent haben außer Neunkugelgeschichten nichts zu erzählen, selbst Eminem dreht sich im Kreis. Der HipHop, einst antirassistische und linksalternative Ausdrucksform, ist zum Poser- und Pornogenre verkommen - und nur noch im besten Fall unpolitisch.
Was Fler macht, ist allerdings alles andere als der beste Fall. Er mag keinen unmittelbaren Einfluss haben auf die Neonazis in Deutschland. Aber es ist fatal, die Fans mit rechter Ästhetik zu ködern.
"Die Gefahr besteht darin", sagt Davide Bortot, Chefredakteur des führenden deutschen HipHop-Magazins Juice, "dass Flers Aussagen durchsickern." Zumal die Jugend für rechtes Gedankengut derzeit enorm empfänglich scheint. Eine Geschichte über oder gegen Fler bringt Juice - im Gegensatz zum Konkurrenten Backspin - nicht. "Dass wir nichts machen, ist schon ein extremes Statement", findet Bortot - und hofft damit klarzustellen, dass HipHop und Faschismus einfach nicht zusammengehören. Ob der gemeine Fler-Fan das auch rafft? Denn das angeblich extreme Statement von Juice - schamhaftes Schweigen - ist eigentlich nur eins: extrem dezent.
Fler ist die Gehirngeburt von Specter. Der Franzose leitet mit zwei Kollegen das 2001 gegründete Aggro-Label. Er designte die Maske des wenigstens noch wortwitzigen und ansatzweise ironischen Sido. Und er designte mit Fler den ersten massenkompatiblen rechten Rapper. "Es geht um die Frage, ob du genug Eier hast, so was wie wir rauszubringen", lobte Specter sich dafür auf rap.de. Jede Figur, die bei Aggro rappt, wird zunächst mit einem Klischee versehen. Sido: die Maske. B-Tight: der harte Ficknigger. Und Fler: der Deutschstolze. Komisch nur, dass dieser alle HipHop-Werte in den Dreck tretende Junge - arm an Bildung, lange auch an Geld und Perspektive - derart stolz ist auf das Land, das ihn 22 Jahre lang zum Loser stempelte. Im Gegensatz zu US-Rappern wie dem erschossenen Tupac Shakur, der seine Lebensverhältnisse verbessern wollte, beschränkt sich Fler darauf, seinen Asi-Background zu verherrlichen.
"Aggro ist für mich keine Marketingstrategie", sagt Specter, "sondern eine fundamentale Strategie. Aggressivität ist ein Grundpfeiler unserer Kultur." Und entscheidender Grundpfeiler der Aggro-Kultur ist das Kohlemachen. Dazu ist jedes Mittel recht. Der nächste Aggro-Rapper vergewaltigt dann vielleicht Kinder. Oder er ist ein verurteilter Mörder. Wär doch mal was. Hauptsache Tabubruch.
Den Vorwurf, mit seinen Veröffentlichungen junge Menschen mit rechtslastigem Gedankengut zu infiltrieren, weist Aggro von sich. Die Rapper würden halt die Realität im harten Deutschland widerspiegeln, heißt es lapidar.
Hannes Loh dagegen befürchtet: "Die Naivität der Protagonisten trägt dazu bei, dass die Rechten einen Fuß in die Tür kriegen." Der Mann ist Lehrer und brachte vor drei Jahren zusammen mit Murat Güngör das Buch "Fear of Kanak Planet" heraus, in dem er anschaulich beschreibt, wie Rechtsrapper versuchen, den HipHop für ihre Zwecke zu kapern. Er weiß, wovon er redet, denn er rappte einst selber (in der Gruppe Anarchist Academy). "Logisch, dass dieses Stolz-auf-Deutschland-Gefühl durch Leute wie Fler salonfähiger wird", sagt Loh. "Ich fürchte, das ist nicht nur eine Mode. Rap ist ein Abziehbild der Gesellschaft. Und die Gesellschaft radikalisiert sich gerade."
Irritierenderweise besetzen jetzt sogar die Afrodeutschen das Wachstumssegment der Deutschtümelei. Das Musikerkollektiv Brothers Keepers, einst mit "Adriano" die Stimme des Antirassismus, singt auf dem aktuellen Album ein gemeinsames Lied mit der Berliner Band Mia, die letztes Jahr wegen allzu sorglosem Umgang mit deutscher Symbolik in die Kritik geriet. BK-Chef Ade Bantu fordert nun unverblümt, man dürfe das rechte Feld nicht den Rechten überlassen. "Wir wollen uns in die nationale Debatte einmischen", sagt er. "Wir stellen fest, dass die jüngere Bevölkerung diesbezüglich ein großes Bedürfnis hat."
Ist Bantu stolz, ein Deutscher zu sein? "Ich bin stolz auf Deutschland, auf unsere deutschen Errungenschaften", sagt er. "Wir haben hier viel geschaffen, wieso also immer diese gebückte Haltung?" Angst vor einem Nazi-Revival hat Bantu nicht. "Die Geschichte wird sich schon deshalb nicht wiederholen, weil sich das Land so extrem damit beschäftigt." Das klingt naiv, und das ist es auch.
Und was sagen die führenden HipHopper der 90er zu diesem beunruhigenden Rechtsruck an vielen Fronten, etwa die Beginner oder die Fantastischen Vier? Nichts. Von den Fantas war kein Statement zu bekommen. Aber Thomas D. vermachte seinen "Echo" dem Kollegen Sido. Was bedeutet das - Anerkennung? Anbiederei? Jedenfalls ist das eine Art Statement. "Das Aggro-Ding rollt mit Volldampf auf die Fantas und die Beginner zu", sagt Loh. "Und es wird sie wohl auch überrollen."
An seiner Schule hat Hannes Loh noch keinen Rechtsruck festgestellt, sagt er. Aber die Grenzen seien am Verschwinden, am Verschwimmen; Nazis in Baggypants sind keine Illusion mehr. Einen Hoffnungsschimmer aber gibt es vielleicht: Mädchen finden die Aggro-Rapper allesamt zum Kübeln. Um es sich mit den Damen nicht zu versauen, glaubt Loh, würden sich die Jungs früher oder später von Pfeifen wie Fler verabschieden. "Spätestens mit 15 hört das in aller Regel auf."
Ist Specters jüngste Kreation also nur ein Teenie-Flerführer, dessen ekle Saat von selbst verdorrt, wenn erst mal Romantik ins Spiel kommt? Vielleicht. Doch der Aggro-Chefdesigner wird schon bald den nächsten Skandal aus dem Hut zaubern.
In seinem Berliner Hauptquartier sitzt er schon daran. Ganz sicher.
Quelle:u-magazine.de/stories.php?id=19701